Auch bei einer Rede. Nicht aus der Ruhe kommen.

Jeder kennt diese Momente. Man sieht einem Redner, einem Vortragenden oder einem Künstler zu, und plötzlich passiert etwas, das so nicht geplant war. Das Mikrofon fält aus, der Beamer geht nicht mehr, eine Blasmusikkapelle beginnt im Nebenraum mit einer Probe, was auch immer. Alle im Saal bekommen es mit und alle fragen sich, wie der Mann oder die Frau am Mikro mit der neuen Situation umgehen wird?

Viel zu oft suchen die Betroffen ihr Glück in der Flucht aus der Realität. Mit mehr oder weniger stoischen Beharrlichkeit tragen sie weiter fort, reden und präsentieren, als ob nichts passiert oder passiert wäre. In den Köpfen der ZuhörerInnen entsteht sofort Unruhe: »Hat er es nicht bemerkt? Oh, oh, was macht er jetzt? Autsch, wie unangenehm.« Schon sind die ZuhörerInnen auf dem direkten Weg zum gefürchteten Fremdschämen.

Trotz deiner Rede, die Welt existiert weiter

Deshalb gilt für erfolreiche Redner, aber auch Comedians, schlicht alle die vor Menschen auf einer wie immer gearteten Bühne stehen, eine Regel: Ignoriere nie die Welt um dich herum. Wenn du es bemerkt hast, dann haben es auch alle Leute im Raum bemerkt. Und nur weil du es ignorierst, verschwindet es nicht oder löst sich für die ZuhörerInnen einfach in Luft auf. Es bleibt da, ein unerwarteter Störenfried, der nicht so leicht verschwindet. Vor allem nicht aus den Köpfen des Publikums.

Die sind nicht nur durch die Blaskapelle im Nebenraum, das umgefallene Glas oder dem Schlagbohrer im Stockwerk darüber, abgelenkt, sondern auch durch die automatische Empathie, die sie in solchen Momenten dem Redner bzw. Performer entgegenbringen. Sie fühlen mit, sie leiden mit, sie fragen sich, wie er oder sie mit dem Unerwarteten umgeht? Sie machen sich viele Gedanken in solchen Momenten, aber eines machen sie sicher nicht: konzentriert zuhören. Kann der Mensch gar nicht, wenn er abgelenkt wird. Es kann keine Formulierung geben die gut genug ist, keinen Gag der lustig genug ist und keinen Gedanken der bewegend genug ist, um von Menschen, die gerade von etwas Unerwarteten und scheinbar Unangenehmen abgelenkt wurden, wirklich wahrgenommen und verarbeitet zu werden.

Nicht aus der Ruhe bringen lassen, cool reagieren

Und genau deshalb kann man, nein muss man, als Vortragender sich die Zeit nehmen die Störung offensichtlich wahrzunehmen, darauf in irgendeiner Form zu reagieren und so den Menschen die gefühlte Pflicht zum Mitgefühl oder gar Fremdschämen zu nehmen. Die Botschaft des Vortragenden muss sein: »Ja, ich habe das auch bemerkt. So ist das Leben. Aber es bringt mich weder aus dem Konzept noch stört es mich wirklich. Es braucht also auch euch, die ZuhörerInnen nicht weiter zu stören.«

Wenn man diese Botschaft klar in den Raum kommuniziert, vielleicht auch noch mit einem kleinen Witz und Humor, dann hat man gewonnen. Danach können auch die ZuhörerInnen sich wieder entspannen und wieder auf das gesprochene Wort konzentrieren. Es kann immer etwas Unvorhergesehene passieren. Der gute Redner, bzw. Comedian, Performer, etc., schafft es aber immer den Eindruck zu erwecken, dass er mit jeder unvorhergesehen Überraschung souverän und entspannt umgehen kann. Nur ignorieren darf er sie nicht.