Mein Sohn - SchlafentzugDie Faust des kleinen schmächtigen Mannes knallt in meine Magengrube. Stechender Schmerz durchzuckt mich. „Wie verdammt noch mal bin ich wieder in diese absurde Lage gekommen?“, frage ich mich verzweifelt. Ich knie am Boden meiner ehemaligen Schulklasse im Marianum. Mein linker Arm wird durch meine ehemalige Mathematiklehrerin fixiert, während mein ehemaliger Chemielehrer das Gleiche mit meinem rechten Arm. Vor mir mein ehemaliger Geographielehrer, der schon wieder ausholt, um mir den nächsten Schlag zu verpassen. In schierer Verzweiflung beteuere ich mein ungeteiltes Interesse an oberösterreichischen Vierkanthöfen. Der Mann zeigt kein Erbarmen. Diesmal landen seine zur Faust geballten knöchrigen Finger direkt auf meiner Nase. Wieder Schmerz und plötzlich Dunkelheit.

Schlafentzug- ich, ein Opfer nächtlicher Gewalt

Vorsichtig öffne ich die Augen. Ich bin gar nicht in meiner ehemaligen Schule. Ich liege im Bett meines Schlafzimmers auf dem Rücken. Halb auf mir mein 7-jähriger Sohn Severin – sein rechter Ellbogen genau in meiner Magengrube, die rechte Ferse auf meinen linken Mundwinkel, nachdem sie von meiner Nase abgerutscht war. Irgendwie hat er es wieder geschafft. Seit ihm bewusst ist, dass er nicht mehr zu uns ins Bett kommen soll, macht er es ganz vorsichtig und behutsam. Im Schlaf schwindet die Vorsicht wieder und ich lerne jede Nacht eine neue Variation des Themas „Gewalt in der Familie“ kennen. Ich liebe meinen Sohn. Aber inzwischen ist seine permanente Präsenz in unserem Ehebett eine Qual und für mich als Mann auch ein erhebliches Gesundheitsrisiko.

Eigentlich sollte Severin immer in seinem Bett schlafen, aber als er vier Jahre alt war, hatte er  eine Mittelohrentzündung und wir haben ihm damals erlaubt bei uns zu schlafen. Die Mittelohrentzündung ist schnell ausgeheilt. Mein Sohn ist uns aber im Bett geblieben. Eine Zeitlang habe ich ihn immer in sein Bett zurück getragen. Vernarbte und schmerzhafte Reliefabdrücke von Legosteinen auf meinen Fußsohlen sind Zeugen dieser Zeit. Ich kann auch bestätigen, dass der Dreizack des gefürchteten playmobil-Gladiators aus dem Rom-Arena-Set, realistisch schmerzhaft zustechen kann, wenn man im Dunkeln mit dem Fußballen drauftritt.

Wir haben Severin mit DVD- und TV-Entzug bedroht, versucht ihn mit Geschenken zu bestechen und – ganz perfide – ihn mit seinem sozialen Standing unter Druck zu setzen. Beinhart habe ich vor Mädchen und Burschen aus seinem Freundeskreis das Thema „Bett“ angesprochen. Aber dabei hat er keinen Schaden genommen. Im Gegenteil, mit Schrecken habe ich festgestellt, dass das Schlafraubrittertum längst zu einer weltweiten Pandemie geworden ist.

Schlafentzug – eine massive Gesundheitsgefahr für Männer

Eine Pandemie mit für Männer dramatischen gesundheitlichen Auswirkungen. Das „Journal of Medical Association“ zitiert eine Studie der Universität von Chicago in der festgestellt wurde, dass Schlafmangel bei Männern zu Fettleibigkeit und Verlust von Muskelmasse führt. Und die Forscher der Pensylvania State Universität haben überhaupt herausgefunden, dass der Schlafentzug für Männer weitaus gefährlicher ist, als für Frauen. Im Laufe der Menschheitsgeschichte sind die Frauen auf ihre Rolle als Mutter getrimmt worden. Sie sind angeblich evolutionär an Schlafstörungen durch schreiende Kinder gewöhnt und deshalb fällt es ihnen leichter Schlafentzug und –mangel zu verkraften – so zumindest die Forscher. Für mich gibt es also nur zwei Möglichkeiten. Entweder ich kann meinen Sohn, Schlafraubritter Freiherr von Severin, aus unserem Bett vertreiben, oder ich werde fett und schwach. Und wenn das passiert habe ich Angst, dass meine Frau mich aus dem Bett wirft.