Hornarren sind unsere IntelektuellenKeine TV-Talkshow, kein Wochenmagazin und keine Qualitätszeitung aus der uns nicht ein Comedian, Kabarettist oder wenig begabter Laiendarsteller anstrahlt und uns die Welt erklärt. Diese Menschen sind inzwischen offensichtlich die ExpertInnen für Geschichte, Sozial-, Asyl-, Finanz- und Sicherheitspolitik. Und wenn sie im letzten Sommer auch noch einen Trip nach New York gemacht haben, dann auch noch Außen- und Weltpolitik.

Narrentum ersetzt Wissen und Ausbildung

Verblüffend, dass RedakteurInnen, wenn sie auf der Suche nach Zitaten, Meinungen und Gastkommentaren sind schon lange nicht mehr nach Historikern, Philosophen, Gelehrten oder Wissenschaftler suchen. Nein, sie erinnern sich, dass sie da letztens im Kabarett waren, oder TV-geschaut haben und da war doch der lustige Soundso und der könnte doch sicher was Cooles zu Credit-Swaps sagen. Wir sind doch ein Qualitätsblatt und wenn wir ihn bringen, dann ist auch Kasperl ein wichtiger und ernstzunehmender Experte, wenn es um weltweite Entwicklungen geht. Auch wenn seine Qualifikation ein Auftritt im Tatort, beim Comedy-Preis oder in den Wühlmäusen war und ist.

Wir sollen lachen, aber uns nicht wehren

Aber leider ist der Hofnarr nur deshalb in seiner privilegierten Position als Hofnarr, weil ihn der Herrscher duldet. Er duldet und fördert ihn nur deswegen, weil er die schlimmsten Katastrophen zu Späßen macht, weil er nicht ernst genommen wird und weil er sehr wohl die Grenzen kennt. Er wird seinen Kopf nicht riskieren, wenn er seine Position als Hofnarr und Vorzeigeintellektueller nicht verlieren will. So wie die heutigen Hofnarren mit ihrer seichten Kritik, der flachen Analyse und der wortreichen Weltverbesserung den jetzigen Machthaber ein hübsches Mäntelchen der scheinbaren Meinungsfreiheit schenken. Sie alle Leben von den Herrschern, den Kulturförderungen, den Medienförderungen und den Cliquen derer, die sie scheinbar kritisieren. Interessant nur, dass die Kritik die Herrschenden scheinbar nie schmerzt und harte Reaktionen hervorruft. Vielleicht, weil sie niemand ernst nimmt, weil sie ein ersthaftes Umdenken und Aufrütteln nicht auslösen kann. Dazu zu ist sie qualitativ zu schlecht, auf den kurzen Gag in der Überschrift hin formuliert und fachlich nicht fundiert. Die Herrschenden können gut damit leben, dass ihrer öffentliche Kritiker Hofnarren sind und damit die wahren Probleme unserer Welt zum Kabarett und zur Comedy machen. Wegen Kabarett-Nummern und Comedy-Sets macht niemand Revolution.

Quatscht nicht nur – tut was

Vielleicht wäre es auch in unseren Breiten (so wie schon in anderen Ländern) einmal ein neuer Weg, wenn unsere Hofnarren ihre toskanischen Weinverkostungstouren unterbrechen würden, 20 Prozent ihrer Jahresgage in konkrete Projekte stecken oder zehn Prozent ihrer Analyse und Kritik so formulieren würden, dass es den Herrschenden wirklich weh tut? Kritisiert, rüttelt auf und verändert – macht was Konkretes. An die Adresse der RedakteurInnen eine Bitte: sucht und findet Menschen, die zur Beurteilung wichtiger Fragen und unserer Welt tatsächlich fachlich fundiertes Wissen, kreative Vorschläge und konkrete Fakten bieten können. Die in ihrem Leben eine gute Ausbildung absolviert, in ihrer Laufbahn Brillanz bewiesen und durch kluge Wortmeldungen Dinge tatsächlich bewegt und verändert haben. Auch wenn das Finden, das Aufzeichnen eines wirklich intelligenten Gesprächs, die Verarbeitung kluger Gedanken und deren sorgfältige Aufbereitung harte Arbeit ist.

Auch wenn es einfacher ist mit einem befreundeten Studienabbrecher, der zugegebenermaßen total lustig ist, bei einem gepflegten Glas Rotwein die sozialen, menschenrechtlichen und tragischen Schicksale dieser Welt theoretisch, knapp, witzig formuliert und „voll cool“ zu lösen. Der Hofnarr und der Herold: beide leben vom Herrscher, beide sind von seiner Gunst abhängig. Erst wenn euch der Herrscher an die Gurgel will, macht ihr euren Job.