Ah, endlich eine Kontroverse. Ein Thema bei dem die Emotionen hochgehen, bei dem die Fetzen fliegen. Sollen wir gratis Shows spielen oder nicht? Für Comedians im Moment – angesichts hunderter Beiträge in Facebook -eine Entscheidung die nahezu lebensentscheidend scheint. Und nachdem mich immer mehr KollegInnen fragen wie ich zu dem Thema stehe gebe ich jetzt meinen Senf dazu. I don’t give a shit! Who the fuck cares?

Wenn du so erfolgreich bist, dass du von einem hoch dotierten Job zum nächsten hetzt, dann um Gottes Willen spiele nicht gratis. Du bist ein freier Mensch, also zumindest nahezu wenn du in unserem Kulturkreis lebst, und niemand kann dich zwingen deinen grandiosen Humor ohne Bezahlung in billigen Kaschemmen zu teilen. Wenn du aber von einem Job leben willst, bei dem du 20 Minuten (Mixed-Show) oder 90 Minuten (Solo-Show) die beste Zeit deines Lebens hast, dann musst du entweder einen reichen Ehepartner finden, einen Sponsor (Papa? Mama?) oder zahlende Kunden. Wenn es die nicht gibt und du willst trotzdem spielen, dann wirst du wohl oder über gratis spielen müssen.

Du bist dir nicht sicher? Hier die NIKO-Formel mit der du dir deinen kommerziellen Wert ausrechnen kannst:

Dein Wert = Durchschnittspreis (den Veranstalter/ZuschauerInnen bereit sind zu zahlen) x Anzahl der Veranstalter/ZuschauerInnen pro Jahr

Wenn der Wert Null bzw. nahe Null ist, dann spielst du schon gratis. Wenn der Wert ein wenig über Null ist, dann wirst du wohl wenig spielen, wenn du nicht gratis spielst. Wenn der Wert in fünstelligen EURO-Regionen liegt, dann brauchst du nicht gratis zu spielen. Aber wenn du nicht gratis spielen musst, dann halt die Klappe und gestehe weniger erfolgreichen KollegInnen das Recht zu Spass zu haben, auch wenn sie sich dabei ausbeuten.

Ah ja, und jetzt kommt das Totschlagargument: die Gratis-Kollegen zerstören den Markt. Was für ein armseliges Argument ist denn das? Wenn du in einer gratis-Show spielst und du bist so gut, dass du nachher von dutzenden begeisterten Fans umringt und nach Solo-Terminen gefragt wirst, dann werden sie ja wohl bereit sein zu zahlen. Wenn du einen Gratis-Solo-Termin spielst und es gibt keinen bezahlten Nachfolge-Termin dann – so hart das klingt – bist du es eben nicht wert. Und wenn du nicht gut genug bist, dass ein Veranstalter bereit ist lieber dir ein Solo mit Fix-Gage zu geben, als eine Mixed-Show mit gratis-Kollegen zu machen, dann ist das zuerst einmal sein freies Recht und zweitens, auch dann bist du eben nicht gut genug. Und nochmal, du musst nicht spielen. Denn wenn der Veranstalter überzeugt wäre, dass er seinen Lebensunterhalt besser mit deiner Show und Fixgage verdient als mit der gratis Show, dann würde er oder sie es bestimmt machen. Dass Veranstalter es machen beweisen ja doch die KollegInnen die große Säle und Theater füllen, Gagen bekommen und trotzdem gebucht werden.

In unserem Job (Stand-Up-Comedy) muss man nicht in Maschinen, Grundstücke, Rohstoffe, Forschung, ISO-Zertifikate, etc. investieren. Wir können uns einfach überall hinstellen und lustig sein. Unser Investment ist die Bereitschaft so lange und so viel Publikum – das bereit ist uns zuzuhören – zu suchen und zu finden, dass möglichst viele übrig bleiben, die dann in Zukunft bereit sein werden für unsere Auftritte zu zahlen. Und noch einmal: wenn keiner bereit ist für deinen Auftritt (in welcher Form auch immer) zu bezahlen, dann bist du aus kommerzieller Sicht einfach nicht gut genug.

Manche von uns kennen ja auch den angelsächsischen Markt, der eine Comedy- & Live-Tradition hat die schon mehr als 100 Jahre alt ist. Dort kann man am Anfang nicht einmal gratis spielen. Wer dort bei einer Open-Stage oder einer Amateur-Night auf die Bühne will, muss mindesten drei, oft mehr, zahlende Gäste mitbringen oder per Verteilaktionen finden (nicht Papa, nicht Mama, Onkel, etc.). Und wenn man das mal ein Jahr lang erfolgreich gemacht hat und vielleicht sogar auch noch komisch ist, dann „darf“ man mal gratis auf die Bühne. Und trotzdem, viele werden dann so gut, dass Club-Manager und Veranstalter beginnen die KollegInnen gegen Geld zu buchen. Denn die haben sich in einem harten Markt durchgesetzt.

Und es ist auch richtig, dass der Markt hart und erbarmungslos ist. Warum sonst sollte jemand jeden Tag 8-14 Stunden im Büro arbeiten, körperlich rackern oder seine Lebenszeit in der Verwaltung vergeuden? Wenn es leicht wäre dann würde jeder gerne durch die Welt gondeln, die Menschen belustigen und das Leben genießen. Wir können und dürfen das.

Klar, wir müssen uns hart durchkämpfen, wir müssen auch gratis spielen und oft lange von Nichts leben. Aber wenigstens bekommen wir selbst an solchen Abenden immerhin noch Applaus, Gelächter, Jubel und Bewunderung – zumindest sollte es so sein, wenn man den Job gut macht. Das ist schon mehr als alle anderen in ihren Jobs. Aber es gibt Zehntausende die es in diesem Job schaffen wollen und Tausende die an vielen Abenden Menschen begeistern können – und dies auch gratis oder gegen Minigagen tun. Es gibt aber nur wenige, die so einzigartig sind, dass sie dann zuerst wenig und mit zunehmenden Erfolg immer mehr Geld dafür verlangen können. Von diesen gibt (kann?) es nur einzelne Ausnahmen auf dem höchsten Level, ein paar Dutzend auf hohem Level und ein paar Hundert auf einem akzeptabel kommerziell erfolgreichen Level geben.

Und wenn du nach Jahren noch immer keine Veranstalter bzw. ZuschauerInnen findest, die bereit sind für deinen Auftritt gut zu bezahlen, dann bist du im falschen Geschäft. Dann spiele weiter gratis, habe Spass und lebe von einem anderen Job. Aber bitte habe auch die Größe andere gratis, des Spasses, der Freude und der Liebe zur Bühne wegen, spielen zu lassen. Ohne sie als Totengräber einer Branche zu verunglimpfen. Im Gegenteil, habe die Größe dich zu freuen, wenn einer der vielen gratis-Kollegen plötzlich ausbricht und tausende Fans findet, die sehr wohl bereit sind Geld und Zeit für einen Auftritt von ihr/ihm zu opfern.

Das nächste mal, wenn du gefragt wirst, ob du bereit bist bei einer Show gratis aufzutreten, dann sag einfach „ja“ oder „nein“ und die Sache ist erledigt. Wenn Veranstalter wissen, dass du es nicht machst, dann werden sie dich nicht mehr fragen und fertig. Aber verschone uns mit der Jammerei über „böse Mächte“ die dich ausnutzen um selbst millionenschwere Entertainment-Imperien zu bauen. Das ist einfach lächerlich. Du bist frei und ich habe noch von keiner Veranstaltung gehört, bei der KünstlerInnen mit Waffengewalt auf eine Bühne gezwungen wurden. Und jetzt ist Schluss.