Invasion der Faruen

Wir hatten es wieder einmal geschafft. Durch eine logistische und organisatorische Meisterleistung ist es meiner Frau und mir gelungen unsere Kinder für sagenhafte drei Tage an Verwandte und Freunde abzutreten. Und das bedeutet für uns: wir können nach Monaten, bzw. Jahren wieder einmal ins Kino gehen. An diesem Tag war es dann endlich wieder einmal soweit. Natürlich habe ich meine Frau den Film aussuchen lassen und sie entschied sich für Crazy, Stupid, Love. Warum nicht, ich bin ein Mann der auch mit romantischen Liebeskomödien zurecht kommt.

Frauen sind die Mehrheit

Wir also ab ins Kino und mit Nachos, Getränken und Vorfreude versorgt rein in den Saal. Wir waren ziemlich früh dran, also knapp 10 Minuten vor Filmbeginn, und so konnten wir in Ruhe beobachten wie sich der Saal zunehmend füllte. Und schon nach ein paar Minuten machte sich ein, für mich, relativ beunruhigender Trend bemerkbar. Es kamen nur Frauen. Ohne Übertreibung. Von den ca. 120 Leuten im Kinosaal waren 103 Frauen. Ich war verunsichert. Was ging hier vor? Waren wir aus Versehen in das Geheimtreffen einer Damen-Loge geraten? Wussten alle Männer in der Stadt außer mir, dass dieser Film eine Qual ist? Sind alle Männer auf Sommerurlaub?

Was konnte denn schon schiefgehen. Die Story des Films ist schnell erzählt. Ehefrau Emily erklärt ihrem Mann Cal, während die beiden im Restaurant die Nachtisch-Karte studieren, dass sie kein Dessert, sondern die Scheidung will. Als Cal sein Selbstmitleid Abend für Abend in einer Bar begießt, trifft er dort auf den Aufreißer Jacob, der seinem desillusionierten Gegenüber mit einer Fülle von Frauengeschichten zu frischem Lebensmut und neuer Männlichkeit verhelfen will. Jacob spornt Cal zu einer Generalüberholung an: mit Friseurbesuchen, neuen Klamotten und einer kleinen Flirtschule. Und es klappt, Cal wird zum coolen Don Juan, der eine Frau nach der anderen abschleppt.

Die Welt aus zwei Blickwinkeln

Und dabei machten sich die ersten Unterschiede zwischen 103 Frauen und 17 Männern im Publikum bemerkbar. Während die Männer bei all den Aufrissszenen fast schon ein wenig neidisch, aber zustimmend und anerkennend, lachten, lachten die Frauen zwar an den gleichen Stellen, aber aus einem ganz anderen Grund. Sie lachten über die – ihrer Meinung nach – dummen Aufrisssprüche und -techniken von Jacob und dann Cal. Der offensichtliche Widerspruch dabei offenbart sich aber scheinbar nur Männern, die nicht ganz verstehen, was an den Sprüchen so lächerlich und blöd ist, wenn der Typ damit die schönsten Frauen im Handumdrehen rumkriegt? »Wer ist da der Blöde?«, habe ich mich in meinem Kinosessel gefragt, aber nur gedanklich, um meiner Frau nicht den Spass zu verderben.

Und je länger ich den beiden Filmhelden dabei zuschaute, wie sie immer mehr bezaubernde und sexy Frauen um ihren Finger wickelten (und dabei ein wenig selbst zu träumen begann) desto weniger verstand ich, warum so viele Frauen im Kino waren. Die bisherige Botschaft des Films war: geh zum Frisör, kleide dich neu ein, such den dümmsten Spruch, tu so als würdest du wirklich Interesse am weiblichen Gegenüber haben und nimm jede die du bekommen kannst. Üblicherweise kein Film-Plot den Frauen gut finden.

Die Moral kommt dann leider immer

Aber, auf Hollywood ist Verlass – zumindest aus Frauensicht. Während die 17 Männer im Kinosaal noch stundenlang bei der Jagd und Erlegung dutzender Sexgöttinnen zusehen hätten können, wollen uns die Drehbuchautoren in einer 180 Grad-Wendung plötzlich einreden, dass es am Ende doch nur darauf ankommt die eine Seelenverwandte zu finden um wirklich glücklich zu sein. Und je offensichtlicher sich der Film dem unvermeidlichen Happy-End zuschleimt, umso selbstbewusster werden die zustimmenden Gesten, gutturalen Laute und Blicke der Frauen im Saal. Auch die meiner Frau. Umso enttäuschter blickten wir 17 Männer auf die Leinwand. Auf jene Leinwand, von der wir uns erhofften, dass sie unsere Träume zeigt – kompromisslos, ehrlich und freizügig. Eine Welt in der jeder Mann, egal in welchem Alter, gut gekleidet und mit dem richtigen Drink in der Hand jede Frau erobern kann (nicht egal in welchem Alter, am besten unter oder knapp 30 Jahre alt, perfekte Figur, sexy Ausstrahlung, offen für Abenteuer).

Und plötzlich war mir klar, warum in diesem Kinosaal so viele Frauen waren. So wie bei meiner Frau wurden ihre Überzeugungen zum Thema ewige Liebe und Treue klar bestätigt. Endlich war der wissenschaftliche Nachweis erbracht, dass zahllose kurze heiße Affären mit unwiderstehlichen Superhasen die Männer am Ende nur in tiefe Depression, große Verunsicherung und Traurigkeit stürzen. Und für uns Männer gibt es bei diesem Film nichts zu holen. Man macht uns kurz Hoffnung, um uns dann brutal aus den Träumen zu reißen und uns für immer von der Vielweiberei zu heilen. Kein Wunder, dass bei diesem Film im Kinosaal zunehmend ein demographisches Ungleichgewicht herrschte. Und trotzdem, als ich mich meine Frau nach dem Film erwartungsvoll anblickte sagte ich voller Überzeugung: »Genau so ist es mein Schatz. Deshalb bin ich auf ewig treu. Ich möchte nie in den Armen einer langbeinigen, supersexy 25-jährigen Schönheit unglücklich sein.«