Warum dürfen Primitivlinge wie ich nicht einfach auch nur genießen? Ist es nicht verblüffend, dass gerade angebliche Genussmenschen besonders intolerant sind, wenn es darum geht, einfacheren Gemütern wie z.B. mir auch Raum und Zeit zum Genießen zu geben?

Wie oft bin ich schon an geselligen Abenden schief angesehen, mitleidig belächelt oder gar mit mühsam versteckter Aggression konfrontiert worden, weil ich mich geweigert habe auch nur einen Schluck Wein zu kosten? Ich mag keinen Wein, auch wenn er von mehrfach ausgezeichnete österreichischen Superwinzern bei maßgeblicher Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums und fachgerechter Prüfung durch den Bauernbund in rein patriotischen Genußregionen gekeltert wurde. Ich will trotzdem nur ein Cola und liebe mein Land trotzdem.

Kein Alkohol – kein Patriot

Aber allein der stotternd und schüchtern vorgetragene Wunsch nach einem fremdländischen Zuckerwasser mit Drogenzusatz bringt mich in Gefahr Opfer einer öffentlichen Hinrichtung an steirischen Eiche zu werden, die dann am nächsten Tag vom Boulevard mit der Schlagzeile »Er hat unseren Zweigelt verweigert!« empört gerechtfertigt wird. Dabei wollte ich nur Brot und ein Cola genießen.

Und Fischliebhaber sind genauso unerbittlich. Nicht erst einmal wurde ich von Freunden zum garndiosen Fischessen entführt. Und alle wissen, dass ich nach einem recht einfachen kulinarischen Grundsatz lebe: ich esse nichts, was nicht ertrinken kann. Und trotzdem genieße ich mein Leben. Aber eine solche Frevelei können sich Fischfans gar nicht vorstellen und versuchen mich hartnäckiger zu konvertieren als es die katholische Kirche in Zeiten der Inquisition betrieben hat. Sobald das Fischessen losgeht, komme ich unter Dauerbeschuss. Der erste Schuss ist immer der Satz: »Koste mal, das schmeckt gar nicht nach Fisch!« Ich will den Fisch trotzdem nicht essen. Nur weil er nicht nach Fisch schmeckt, bleibt er trotzdem ein Fisch. Und wenn er gar nicht nach Fisch schmeckt, warum sind denn all die elitären Fischliebhaber so erpicht darauf ihn zu essen?

Fisch kommt mit nicht ins Maul

Was für ein blödes Argument ist das überhaupt? »Probier ihn, er schmeckt gar nicht nach Fisch!« Funktioniert das in anderen Lebenslagen auch. Kann ich das nächste mal auch einfach zu der super attraktiven Frau hingehen und sagen: »Hallo, kommst du mit zu mir und hast grandiosen Sex mit mir? Ich verspreche, es fühlt sich mit mir gar nicht wie richtiger Sex an.«

Also, ich bin auch ein Genießer. Auch wenn es nur Hamburger, BigMac und Cola sind. Lasst mich einfach diese Dinge genießen so wie ich Euch genießen lasse – ohne Euch dabei zu bewerten.