Offenbare DichHumor und Comedy hat viel mit Schmerz zu tun. Klingt zuerst einmal ein wenig verrückt, ist es aber nicht. Wenn KollegInnen sich fragen, warum ihr Material nicht zu Stürmen der Begeisterung und Lachkrämpfen führen, dann liegt das oft an der Feigheit wirklich dorthin zu gehen wo es schmerzt. Sich wirklich zu zu öffnen und das Publikum in die persönlichsten Ecken der eigenen Seele blicken zu lassen. Die großen KünstlerInnen der Geschichte — egal in welchen Bereich scheinen — neben harter Arbeit bis zur Selbstaufgabe — nur eine Botschaft für uns zu haben: Offenbare Dich!

Bitte nicht falsch verstehen. Ja, man kann auch sehr lustig sein mit Witzen über die üblichen politisch Verdächtigen, mit Witzen aus dem Web, alten Programmen und Pub-Jokes-Books sowie zu den tausendfach bearbeiteten Themen wie im Moment z.B. Facebook, iPhone, etc. Das ist auch ok und wenn man es professionell macht, hat man seinen Job erledigt und Menschen unterhalten. Ich selbst mache das auch. Aber ich bin mir bewusst, dass ich damit immer nur ein solider, funktionierender und verlässlicher Spaßmacher sein werde. Gleichzeitig bin ich mir aber auch bewusst, dass es zum wirklichen Künstler und Genie viel mehr braucht.

Aus der Masse hevorstechen

Viele KollegInnen träumen ja davon aus der Masse herauszustechen. Zu einer Ikone zu werden und Menschen wirklich in ihren Bann zu ziehen. Aber, um das zu erreichen muss man nicht nur hart arbeiten — mehr arbeiten als die anderen Tausenden, die auch gut und bequem davon leben wollen ein paarmal im Monat zwischen 30 und 90 Minuten auf einer Bühne Witze zu reißen —, sondern auch volles persönliches Risiko gehen. Der Traum ist, sich aus dieser Masse abzuheben und bei jeder Show so einen Eindruck zu hinterlassen, dass die ZuhörerInnen einen nicht nur nicht mehr vergessen, sondern es Verwandten, FreundInnen und ArbeitskollegInnen weitererzählen. Ihrem gesamten Umfeld erzählen, dass man das/den/die nicht verpassen dürfe. Wie kann man das schaffen?

Am Ende machen jene KünstlerInnen einen bleibenden Eindruck, die bereit sind in ihrem Feld alles zu geben und vor allem alles zu riskieren. Ja, es ist vielleicht witzig auf der Bühne zu erzählen, dass man noch immer Single ist. Dass man es schwer hat den Partner fürs Leben zu finden. Aber die eine Methode ist, die Welt, die anderen Menschen, Partnerbörsen, Medien und den Weihnachtsmann dafür verantwortlich zu machen und darüber Pointen zu liefern. Mutiger ist es, sich wirklich ehrlich selbst zu fragen was man selbst dazu beigetragen hat, dass man noch immer Single ist? Die eigenen Vorurteile, Unzulänglichkeiten, Neurosen und tiefsten Ängste zu offenbaren. Anders gesagt, einen schonungslosen Seelenstrip zu wagen und dann daraus Texte über die eigenen Alpträume und Fehlbarkeit zu formulieren.

Unsere täglichen Vorurteile

Oh ja, das ist schmerzhaft und sehr, sehr persönlich. Aber es ist ehrlich. Tatsächlich kann man sich so fast jedem Thema nähern. Politik und Vorurteile? Warum einfach nur schlechte Witze über die traditionellen Kabarett-Opfer aus Politik und Gesellschaft machen? Vielleicht wäre es viel beeindruckender über eigene Vorurteile und Klischees zu sprechen? Momente, in denen man sehr wohl auch selbst plötzlich einer ist, der Opfer einer irrealen Angst wird. Ein „arabisch aussehender“ Flugpassagier im Sitz direkt vor dir, der beim Start — kurz vor dem Abheben — plötzlich hörbar zu beten beginnt. Ein Glatzkopf mit Springerstiefeln, der in der U-Bahn-Station einer Afrikanerin nachläuft. Nein, nicht um sie anzupöbeln oder gar zu schlagen, sondern um ihr den verlorenen Handschuh zu bringen.

Je persönlicher, ehrlicher und schmerzhafter, desto mehr werden sich ZuschauerInnen in den Geschichten wiederfinden. Sie merken, dass wir alle die gleichen Ängste, Schwächen und Unsicherheiten in uns tragen. Dass jede Ungerechtigkeit in der großen, ja politischen, Welt, auch in unserer alltäglichen Welt existiert. Das Tolle an so einem Comedian ist ja, dass er den Stellvertreter spielt. Er ist der Schwache, der Peinliche und Verlorene. Als ZuschauerInnen dürfen wir über ihn und seine Welt lachen. Aber wir lachen vor allem deshalb, weil wir spüren und wissen, dass wir oft selbst genauso handeln, fürchten, zweifeln oder boshaft sind.

IKEA als Stellvertreter

Wenn Du also das nächste Mal Pointen über McDonalds, IKEA, Facebook, etc. schreibst, dann frag Dich einmal ehrlich warum? Schreib nicht darüber, weil das ein Thema ist, über das man in diesem Moment der Zeitgeschichte nicht hinweggehen kann. Schreib darüber, warum es gerade Dich bewegt. Was Dich dabei in den Wahnsinn treibt? Warum das eigentlich völlig lächerlich ist? Warum Du Dich dem Thema nicht entziehen kannst?

Reduziere das Thema zuerst auf das was es ist: ein Stellvertreter für ganz persönliche Ängste, Zweifel, Arroganz, Faulheit, Konformität, etc. Wenn du verstehst aus welcher persönlichen Emotion du gerade über dieses Thema schreiben willst, dann bist du auf dem richtigen Weg. Und so kann ein Thema, über das scheinbar schon alle Witze dieser Welt gemacht wurden, trotzdem zu einem Höhepunkt werden. Einfach nur, weil du es aus Deinem ganz persönlichen Blickwinkel heraus betrachtest.