So sieht ein Gag von innen ausWas macht einen Gag aus? Es sind eigentlich im Grunde nur zwei Elemente, die bei Bedarf mit anderen Elementen ausgeschmückt werden. Die zwei essentiellen Elemente eines Gags oder einer Pointe sind:
* Set-Up (Einführung)
* Punchline (Pointe) Fast jeder Mensch kennt diese Grundstruktur. Alle Witze, sei es erzählt, aus Büchern oder aus dem Internet, basieren auf dieser Struktur. Wir alle haben sie im Laufe unseres Lebens unbewusst gelernt und reagieren instinktiv darauf. Wir wissen wann ein Set-Up zu Ende ist und meistens auch, wenn wir die Pointe hören. Außer sie ist so schlecht, dass sie nur betretenes, verwirrtes und stummes Schweigen erntet. Aber sehen wir uns das Ganze genauer an. Hier ein kleiner Witz als Beispiel:

Sagt der eine Golfer zum anderen: »Stell dir vor, gestern komme ich nach Hause, steht meine Frau in sexy Unterwäsche, mit Handschellen in der Hand an der Schlafzimmertür. Sie sagt: “Fessle mich und mach was immer du willst!“«  Fragt der andere Golfer: »Und was hast du gemacht?«  Sagt der erste Golfer: »Ich habe sie gefesselt und bin Golf spielen gegangen.« Der Klassiker: Set-Up + Punchline

Das Set-Up Dieser Witz hält sich ganz strikt an die klassischen Gag-Struktur: Set-Up und Punchline. Das Set-Up führt die Charaktere und all die Informationen ein, die man braucht um den Gag zu verstehen. Es bereitet die ZuhörerInnen auf die Punchline vor. Das Set-Up muss (soll) gar nicht lustig oder besonders aufregend sein. Es muss nur alle, für das Verständnis des Witzes notwendigen, Elemente in sich tragen.

Die Punchlline Die Punchline nimmt die Informationen auf, re-interpretiert das Geschehen oder einzelne Worte, verpasst ihr eine kreative Wendung und überrascht mit der Pointe den Zuhörer. In unserem Beispiel ist das Set-Up:

»Stell dir vor, gestern komme ich nach Hause, steht meine Frau in sexy Unterwäsche, mit Handschellen in der Hand an der Schlafzimmertür. Sie sagt: “Fessle mich und mach was immer du willst!“« und die Punchline ist: »Ich habe sie gefesselt und bin Golf spielen gegangen.« Die einzige wirkliche Vorraussetzung von Seiten des Publikums die wirklich nötig ist um den Witz zu verstehen, ist die Fähigkeit gut deutsch zu können. Denn nur wer die Sprache beherrscht versteht die verwendete Doppeldeutigkeit von »..mach was immer du willst.«  Die ZuhörerInnen müssen verstehen, dass die Ehefrau eigentlich gehofft hat mit ihrem Auftritt den Mann zu Sex verführen zu können, er aber scheinbar schon lange lieber Golf spielen geht. Es hilft natürlich auch, wenn das Publikum sich bestimmter Vorurteile bewusst ist und diese vielleicht sogar hegt, denn das Verhalten des Ehemannes bestätigt ein Vorurteil: dass regelmäßiger Sex in langfristigen Beziehungen seinen Reiz verliert. Mit Set-up und Punchline ist der Gag vollendet und auch komplett. In der Fachsprache bezeichnen wir solche Witze als „Oneliner“ (Einzeiler). Gute Comedians und Humoristen bauen solche Oneliner dann allerdings noch aus und verstecken die einfache Struktur in cleveren Formulierungen. Auch für diesen Ausbau gibt es ein eigentlich recht einfaches und immer wieder eingesetztes Werkzeug, den sogenannten „Tag“ (Anhänger).

Der Tag (Anhänger) Der Anhänger folgt der eigentlichen Punchline, also der ersten Pointe. Gute Comedians nutzen somit ein Set-Up um danach mehrere Pointen zum gleichen Thema zu setzen. Wenn sie besonders gut sind, dann schaffen sie es die Lachintensität des Publikums von Pointe zu Pointe zu steigern und bekommen nach der letzen Pointe dann auch noch Applaus. Hier wieder ein kleines Beispiel (kein Anspruch auf humoristische Brillanz):

Die Handtasche meiner Frau ist ein Verstoss gegen das Raum-Zeit-Kontinuum. Von außen sieht sie so klein aus, aber das täuscht. Innen muss sie riesig sein. Wie sie das letzte mal den Hausschlüssel gesucht hat, hat sie zufällig unser Auto drin gefunden. (Punchline) Wir haben es vor drei Tagen als gestohlen gemeldet. (1. Anhänger/Tag) Die Tasche ist so groß. Die Landesregierung hat ihr dafür eine eigene Postleitzahl gegeben. (2. Anhänger/Tag) Schiffskapitäne durchqueren jetzt schon lieber das Bermuda-Dreieck, als dass sie in die Nähe der Handtasche meiner Frau navigieren würden. (3. Anhänger/Tag) Du siehst also, wie das Prinzip „Tag“ technisch funktioniert. Gleich eine Warnung zur Verwendung von solchen Anhängern. Um dabei wirklich erfolgreich zu sein, muss man viel Erfahrung und perfektes Timing haben. Immer wenn Comedians versuchen nach einer Pointe noch einen „drauf zu setzen“ besteht die Gefahr, dass sie in die Lacher des Publikums hineinreden und diese damit abkürzen. Man darf das Publikum nie unterschätzen. Wenn ein Comedian mehrmals sin Lacher hineinspricht, dann lernen die ZuschauerInnen schnell, dass möglicherweise nach der Pointe noch was kommt. Sie befürchten dann aber, dass sie die nächste Pointe wegen des Lachens akustisch nicht verstehen könnten und kürzen ihre Lach-Reaktion  präventiv ab. Damit verkürzt du deine wohlverdienten Lachsalven. Das darf nicht passieren. Also wenn du Anhänger (Tags) verwenden willst, dann hab auch die Ruhe und Nerven jede einzelne Pointe auszusitzen, Pausen zu machen und zu warten bis die ZuseherInnen wieder aufnahmebereit sind.

Genie ist, die einfachen Bausteine genial zu verbinden Mist ist klar, dass jede Pointe und jeder Gag seinen seinen Reiz verliert, wenn man ihn so wie im oberen Abschnitt analysiert und in seine Einzelteile zerlegt. Aber um zu lernen wie man Gags findet, aufbaut und schreibt, muss man das Seziermesser ansetzen. Das raubt dem Witz zwar die Magie, zeigt aber gleichzeitig, dass man kein Hexenmeister sein muss, um Pointen schreiben zu können. Wer einmal verstanden hat, dass jeder Witz, jeder Gag und jede Pointe im Grunde genommen aus nur zwei Bausteinen besteht, dem Set-up und der Punchline, kann sich optimistisch in das Abenteuer neue Gags zu erfinden stürzen. Wer sich am Beginn seiner Abenteuerreise an die Struktur hält, wird dabei auch Erfolg haben. Die hohe Kunst ist wie bei allen Dingen im leben, die einfachen Bausteine so kreativ und geschickt zu nutzen und zu verbinden, dass daraus echte Kunstwerke entstehen.