Zugegeben, wie wahrscheinlich alle Väter, finde ich meinen Sohn schon ziemlich cool. Er ist sicher kein Genie, so wie die Kinder aller meiner Freunde bei denen du das Gefühl hast die haben nur kleine Einsteins und Curies in die Welt gesetzt. Aber mein Sohn ist schlau, witzig und hat mit 10 Jahren Schuhgröße 43. Und als Mann ist das doch das Einzige was zählt. Eine der größten Vaterfreuden ist zu beobachten wie mein Sohn die ersten schmerzhaften Erfahrungen macht, die das wahre Leben, also die Interaktion mit Frauen, ausmachen.

Diese Woche ist Severin zum ersten mal mit seiner Schulklasse auf Schullandwoche gefahren. Nachdem meine Frau und ich unseren kleinen Mann gut kennen, haben wir ihm vorgeschlagen nicht sein geliebtes iPhone mit zu nehmen, sondern stattdessen ein etwas älteres Handy, falls es verloren gehen sollte. Nicht, dass mein Sohn oder irgendein männliches Mitglied meiner Familie je etwas verschlampt, verloren oder verschmissen hätte. Immerhin, mein Sohn war einsichtig und so haben wir die SIM-Karte aus seinem iPhone in ein älteres Modell gesteckt – obwohl, das war auch ziemlich cool: spritzwasserfest, stossfest ein sogenanntes „Outdoor“-Handy. Immerhin hat Severin das Ding auch „cool“ gefunden und er schien mit dem Gerät sehr happy.

Am nächsten Tag war es soweit. Meine Frau brachte einen ziemlich aufgeregten 10-jährigen Weltenbummler und Globetrotter zum Bus. Na und dort war natürlich auch was los. Eltern in tiefster Trennungspanik weil ihr geliebtes Kind nun alleine, ohne elterliche Betreuung in eine Welt voller Terror, Seuchen, Sexattentäter und nicht auszudenkenden Ungemachs, entlassen wird. Und am selben Ort eine Horde überdrehte pre- oder „schon mittendrin“-pubertierende Mini-Teenager, die es nicht erwarten konnten in diese neue, elternfreie Welt entlassen zu werden.

Und dann der Auftritt meines Sohnes: gestyled, lässig und cool schlendert er auf die erregten Kleinmenschen zu. Sofort lösen sich drei Mädchen aus der anonymen Masse und stürzen kichernd, aber doch elegant, lässig auf ihn zu. Alle mit knallrosa, türkisblauen oder aquarell-grünen Umhängetaschen einer bekannten Sportmarke über die Schultern und Sonnenbrillen auf der Nase, die so manche Starlett-Schönheit auf der Strandpromenade von Cannes vor Neid erblassen lassen würden.

Und nach einer perfekt getimeten Vollbremsung folgt der alterstypische Begrüßungsdialog:

Mädels: »Severin«, kicher, kicher, »Severin«, etc.

Mein Sohn: »Was geht, Mädels?«

Mädels: »Severin«, kicher, kicher, »Severin«, etc.

Mein Sohn: »Schaut mal was ich für cooles Outdoor-Handy extra für die Landschulwoche habe!«

Mit einer dramatischen Handbewegung greift er in die Seitentasche seiner Short. Schwungvoll, den Moment mit einer großen Geste unterstreichend, zieht er das Handy – unter den erwartungsvollen und schon leicht bewundernden Blicken der Mädels – hervor. Verschätzt sich an der Größe und Geschwindigkeit der eigenen dramatischen Geste, verliert den Griff und das Handy segelt knapp einen Meter horizontal durch die Luft, bevor es sich senkrecht nach unten den physikalischen Gesetzen der Schwerkraft ergibt. Verfolgt von den staunenden Augen meines Sohnes und seiner weiblichen Fans schlägt es auf dem Betonboden auf, zerspringt in seine Einzelteile und haucht seinen letzten digitalen Atem aus. Doch nicht so „outdoor“ wie gedacht, oder „outdoor“ bezieht sich auf weiche Almwiesen und Waldböden.

Mädchen kichern, mein Sohn ist sprachlos und muss panisch und hilflos mitansehen wie seine Coolness so schnell verdampft wie die Einzelteile des Handys am Boden aufpeppeln.

Und so hat er in einem Moment und mit einer Geste gelernt, wie sich Beziehungen zwischen Frauen und Männern seit Jahrtausenden abspielen. Wir Männer sind Götter wenn es darum geht für Frauen das Alltägliche, das an sich Banale (im Grunde genommen uns selbst und unsere armselige Existenz), mit Pathos, Dramatik und großartigen Erwartungen aufzufüllen und aufzublähen. Aber wir sind mindestens so gut, in kürzester Zeit uns dann gleich wieder selbst auf die traurige und nackte Realität zurückstutzen. Ohne Mithilfe des Publikums. Und ich kann meinem lieben Sohn schon jetzt versprechen, dass es ihm in vielen Situationen immer wieder genau so gehen wird. Und aus eigener Erfahrung kann ich ihm versichern, dass es dabei noch viel, viel peinlichere nicht erfüllte Erwartungen und Illusionen geben wird. Und meist sind dazu nicht einmal Requisiten wie Handys nötig. Überhaupt nicht, oft reicht es, wenn wir uns nur ausziehen.

Und trotzdem, auch angesichts dieser traditionellen und unausweichlichen Enttäuschungen können die Frauen trotzdem nicht ohne uns. Das hat die Natur gut eingerichtet. Das ist unser aller Trost. Und Schluss.