Text durchgehen - bis zur letzten Sekunde?Viele Comedians, aber auch RednerInnen und Vortragende, gehen vor einem Auftritt noch schnell einmal gedanklich ihren Text und ihr Material durch. Auch ich mache das um mich ein wenig zu konzentrieren. Aber man sollte es auf keinen Fall übertreiben.

Unterlagen in verschwitzten Händen

Ich kenne KollegInnen, die bis zur letzten Sekunde ihre Unterlagen umklammern und tatsächlich versuchen Text wortwörtlich zu lernen. Das bringt gar nichts. Im Gegenteil, es erhöht die Anspannung, verunsichert und macht nervös. Glaube mir, wenn Du wenige Sekunden vor Deinem Auftritt Deinen Text nicht beherrscht, dann wird das auch so nichts. In solchen Momenten geht Dir so viel durch den Kopf, packt Dich das Lampenfieber und Du sollst auch noch auf das achten, was gerade auf der Bühne passiert. Egal was Du in diesem Momenten liest, es wird sich nicht mehr in Deinem Gedächtnis verankern.

Spiel auf der Bühne, nicht im Vorraum

Viele Profis raten auch völlig davon ab, Text, Pointen oder Szenen laut auszuspielen, bevor man auf die Bühne geht. Du brauchst all Deine Energie und Kraft in dem Moment in dem Du auf die Bühne kommst. Verschwende sie nicht vorab in einem kleinem Zimmer, am Gang zur Bühne oder im Hinterhof. Es ist viel besser zu versuchen dich zu entspannen und auf den Auftritt zu fokussieren.

Erlebe eine Reise

Am besten ist es die Überschriften Deiner Gags — oder Deiner Punkte einer Rede — langsam im Kopf durchzugehen. Dabei ist es von großer Hilfe, wenn Du zu jedem Punkt/jeder Pointe ein klares Bild im Kopf hast und Du so quasi eine „ganz logische Reise“ durch Dein Material machen kannst. Hier ein Beispiel von mir:

  • Ich beginne im Auto mit meiner Frau (Pointen über Polizeikontrollen), wo ich mich um Kopf und Kragen rede.
  • Leider hat das mein Sohn geerbt, wie er immer wieder zu Hause und in der Schule beweist (Pointen über meinen Sohn).
  • So schlimm mein Sohn ist, so brav ist meine Tochter. Sie ist jetzt im Teenager-Alter (Pointen Teenager, Tochter, etc.)

Ich erlebe jede Situation im Kopf so, als wäre ich vor Ort — im Auto, bei meinem Sohn, mit meiner Tochter, etc. So habe ich immer eine Art roten Faden im Kopf und es kann eigentlich nicht passieren, dass ich im Text hängen bleibe. Ich muss ja nur die Geschichte beschreiben, die ich im Kopf bildhaft erlebe. Dazu brauche ich dann nicht einmal einen ausgeschriebenen Text, um weiterzukommen.

Die Pointe muss sitzen

Es gibt allerdings einen Sonderfall. Alle Punchlines, also die Pointen zu jedem Thema, die sind sehr wohl ausgeschrieben und ändern sich nie. Denn die perfekt formulierte Pointe ist natürlich das Wichtigste, wenn es um Comedy geht. Wenn man hart genug an einer Pointe arbeitet, sie immer wieder überarbeitet und perfekt formuliert, dann kann man sie meist eh schon auswendig und vergisst sie nicht mehr. Dazu noch die richtige bildhafte Gedankenreise, die uns zu den perfekten Pointen bringt, und alles wird gut.

Wenn Du also hinter der Bühne und kurz vor dem großen Schritt hinaus zum Publikum stehst, dann lerne nicht Text, sondern geh auf einen bildhaften Kurztrip zu all den Zielen (Pointen, Botschaften) Deines Auftritts. Das wird Dich entspannen und darüber hinaus selbstsicher und erfolgreich machen.