Unvereinbarkeit und WiderspruchWenn wir einen Gedanken oder eine Beobachtung mit einer Situation für scheinbar unvereinbar finden, dann empfinden wir sie meist als komisch. Die Spannung zwischen unserem theoretischen Wissen wie die Welt eigentlich funktionieren und sein sollte und der tatsächlichen Situation, wie sie sich in dem realen Moment darstellt, verlangt nach Auflösung und Entspannung. Wenn ein Automechaniker in einem Krankenhaus beim Besuch seiner Mutter mit einem Chirurgen verwechselt, in einem Operationssaal bugsiert wird und dort von den wartenden Schwestern aufgefordert endlich mit der Operation zu beginnen, dann haben wir eine potentiell komische – für den Patienten potentiell tödliche – Situation vor uns. Wir als Zuschauer wissen, dass unser Held Automechaniker ist, sind aber gespannt darauf, wie er die Herausforderung löst. Im realen Leben wird er hoffentlich gar nicht in die Situation kommen oder spätestens im Operationssaal auf die Verwechslung hinweisen.

Verrückte Welt in der Comedy passiert

In einem Film oder einer Comedy-Sequenz wird er versuchen die Operation durchzuführen. Vielleicht bittet er die Schwester den Reifendruck zu überprüfen oder fragt, wann der Patient das letzte Mal einen Ölwechsel hatte? Und sobald das passiert löst sich die erste Spannung beim Publikum und das Ganze wird komisch.

Also, einfach das Aufeinandertreffen und Zusammenspiel zweier völlig unzusammenhängender und sich widersprechender Situationen und Gedanken sorgt für Spannung. Und dieses Spannung muss gelöst werden. Wir versuchen also die Gedanken des Publikums in eine Richtung zu lenken und bestimmte Erwartungen zu erzeugen. Und diese Erwartungen werden dann von der Pointe oder dem Witz genau nicht erfüllt. Wir stellen das Weltbild unerwartet auf den Kopf. Damit wird die gespannte Erwartungshaltung des Publikums überraschend gelöst und sorgt für die Lacher.

„Meine Frau möchte, dass ich mit dem Zigarre-Rauchen aufhöre. Wir haben einen Kompromiss gefunden. Ich rauche Zigarren nur mehr an den Abenden, an denen ich mit anderen Frauen zusammen bin.“ – Craig Kilborn

Immer mehr wissenschaftliche Humorexperten setzen die „scheinbare Unvereinbarkeit“ und den Widerspruch eher in Bezug auf die Fähigkeit eines Publikums den Gag zu verstehen bzw. zu meistern. Während das Publikum mit einem Gag bzw. Witz konfrontiert ist, wird es durch verschiedene Stadien geführt. Zuerst das „Set-Up“, also die Einführung des Themas bzw. der Emotion, und dann die Pointe, also der eigentliche Witz. Der Comedian führt das Publikum gedanklich auf eine falsche Fährte. Das Publikum ist zuerst überrascht und verwirrt und begreift dann den Gag. Das Publikum hört den Gag, versteht und meistert die „scheinbare Unvereinbarkeit“, also den Widerspruch im Set-Up, und lacht triumphierend und die eigene Leistung anerkennend.

Unvereinbar ist gut

Welche Erklärung wir für das Lachen auch immer vorziehen, für Humorschreiber ist das Konzept „der scheinbaren Unvereinbarkeit“ eines der wichtigsten Werkzeuge. Wir können also für Lacher sorgen, wenn wir Ähnlichkeiten und Widersprüche erkennen und ausreizen. Eine alltägliche Situation kann in ein mittleres Desaster führen, ein langweiliger Mensch kann in der richtigen Situation zu Lachsalven hinreisen. Ein einfaches Sprichwort kann richtig eingesetzt zu einem Gag werden.

„In der Ehe geht es vor allem um Geben und Nehmen. Du gibst ihr besser alles sonst nimmt sie es Dir weg.“ – Joey Adams

Wie erkennen wir jetzt also die richtigen Situationen und wie entdecken wir die „scheinbare Unvereinbarkeit“ in unserem täglichen Leben? Eigentlich ist das nicht so schwer. Man kann es z.B. mit freier Assoziation versuchen, in dem man ein und dieselbe Situationen von verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Grundsätzlich müssen wir uns einfach nur ein wenig der Verrücktheit öffnen. Oder aber wir fragen uns die allumfassende Frage, die Humorschreiber immer im Kopf haben, egal womit sie konfrontiert sind: „Was wäre wenn…..?“