BurgtheaterDas muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das Wiener Burgtheater bekommt im Jahr 46,4 Millionen Euro Subvention. Dem stehen Einnahmen von 7,6 Millionen durch Kartenverkauf und 5,3 Millionen aus Sponsoring gegenüber. Also deckt das Haus knapp 22 Prozent seiner Kosten. Jetzt kommt’s aber. Statt über die großartige Förderung dankbar zu sein, klagt Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann über permanenten Geldmangel. Die Burg „könne so nicht mehr existieren.“ Ja, da stimme ich völlig zu. Nur sind unsere Lösungsansätze wahrscheinlich sehr verschieden.

Ganz toll wird die Geschichte, wenn man hört mit welchen Argumenten uns wieder einmal vor Augen geführt wird, dass früher alles besser war. Hartmann erklärt: „Dieses Haus hat etwas Ungeheuerliches geleistet: Seit 14 Jahren müssen wir immer höhere Personalkosten zahlen, seit 14 Jahren gibt uns niemand das Geld, um das zu leisten. Seit 14 Jahren fangen wir das auf: Mit immer höheren Einnahmen und sinkenden Personalkosten. Rechnet man die Einsparungen und die Inflation heraus, stehen dem Burgtheater lediglich 50% von den Mitteln zur Verfügung, die es noch vor 14 Jahren gehabt hat.“

Vor 14 Jahren hatten wir alle mehr Geld

Toll, dass ist eine coole Rechnung. Könnte es sein, dass denen, die die Subvention verdienen und bezahlen, die lieben SteuerzahlerInnen dieses Landes, auch seit 14 Jahren durch massives Sparen verzweifelt versuchen ihre realen Einkommensverluste, immer höhere Steuern, höhere Gebühren, höhere Energie- und Mietkosten, etc., zu kompensieren? Möglicherweise, haben wir alle gerade nicht so viel Geld auf der hohen Kante, um jede weitere BesucherIn eines Staatstheaters zu subventionieren? Halt falsch, noch mehr zu subventionieren?

Hartmann fordert nun also von der Politik zu „handeln“ und mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Aber genau da liegt der große Irrtum von Hartmann und all den anderen WeltkünstlerInnen und Kulturstars. Die Politik kann nicht handeln. Die „Politik“ hat kein eigenes Geld. Die Politik verteilt Geld von Menschen, denen sie es zuerst durch Zwangsmaßnahmen abnimmt. Daher ist der Appell an die Falschen gerichtet. Eigentlich müsste Hartman den Mut haben zu sagen: „Liebe ÖsterreicherInnen. Das ist wichtig gebt mir mehr von Eurem sauer verdienten Geld!“ Aber das tut er nicht, denn er ist Realist und davon überzeugt, dass er es dann gar nicht bekommt. Warum?

Miese Kommunikation = miese Akzeptanz

Na ja, man könnte argumentieren, dass weder die Kunst, noch die Kultur, noch die Medien und schon gar nicht die Politik es geschafft haben, den Menschen überzeugend zu erklären, warum man pro Jahr — in Schilling gerechnet — 640 Millionen, für ein Theater spenden soll? Aber dieses Versäumnis, vielmehr diese Unfähigkeit, kann man ja leicht wettmachen, in dem man die Menschen gar nicht fragt oder mitentscheiden lässt. Warum?

Weil „die Menschen“ aus Sicht der Kunst- und Kulturszene einfach zu blöd dazu sind. Die verstehen das halt nicht. Und überhaupt, man kann nicht alles und jedes durch demokratische Prozesse entscheiden lassen. Nur der Vollständigkeit halber auch gleich das Totschlag-Argument: „Würdest du wollen, dass die Menschen in diesem Land über die Todesstrafe abstimmen sollen?“ Aus Sicht der Intelligenzia Österreichs, können die Leute ja nicht einmal richtig wählen.

Ausweg: relative Demokratie

Diese Argumentation habe ich schon immer bemerkenswert gefunden. Es scheint fast so, als wäre Demokratie und Mitbestimmung bei vielen unserer Kunst- und Kulturstars ein relativer Wert, oder besser ausgedrückt, ein Recht nur in bestimmten Fragen und Themenbereichen. Alle die, die auf Wahlverweigerer herabsehen und in vielen Lebensbereich sehr wohl auf direkte Mitbestimmung und Einfluss pochen, erklären die Themen Kunst und Kultur für nicht demokratietauglich. Nein, noch schlimmer. Sie unterstellen der Bevölkerung völlig ungeniert und skrupellos kollektive Idiotie und die Unfähigkeit demokratisch „richtig“ zu entscheiden.

Gut, wir leben in einem Land der Meinungsfreiheit, und jeder hat das Recht diese Ansicht zu vertreten. Aber ich würde dann argumentieren: Wer einmal erlaubt, dass bestimmte Themen für demokratische Prozesse nicht geeignet sind, muss dann damit leben, dass andere genauso agieren. Wer lautstark danach ruft die Kosten von Finanzinstituten und Banken nicht weiter der Allgemeinheit aufzubürden, muss das gleiche Argument auch bei anderen Betrieben gelten lassen. Wenn eine Bank insolvent gehen und sterben kann, dann muss es ein Theater auch können.

Denn, wann immer das Recht auf Mitbestimmung relativiert wird, muss man diese Relativierung auch in anderen Lebensbereichen akzeptieren. Wieso soll man VertreterInnen der Kunst und Kultur das Recht, die Weisheit und Weitsicht zuerkennen, zu erkennen, welche Fragen für demokratische Abstimmungsprozesse geeignet, und welche Themen nicht geeignet sind? Gibt es da Vorgaben, eine Kommission, eine Ausbildung, eine Gabe? Wieso soll eine Bevölkerungsgruppe das Recht haben ihre Ansprüche nicht demokratisch legitimieren zu müssen?

In wessen Interesse soll Politik handeln?

Schon klar, wir leben in einer repräsentativen Demokratie und wir alle bezahlen Steuern für Dinge, die uns nicht immer freuen. Das ist unser System. Aber, und das ist auch Teil der Demokratie, es ist völlig legitim, nein sogar zwingend notwendig, genau deshalb Ausgaben auf ihre Sinnhaftigkeit zu prüfen und immer wieder zu hinterfragen. Und wir sprechen hier nicht von den berühmten Peanuts. Nebenbei sei erwähnt, dass die Vereinigten Bühnen Wien auch knapp 40 Millionen Euro Subvention pro Jahr bekommen und die verlangen natürlich auch schon massive Subventionsanhebungen.

Wenn eine große Mehrheit der Menschen der Meinung ist, dass es weit brennendere Finanzierungslücke in diesem Land gibt, als die ewig steigenden Personal- und Verwaltungskosten im Kunst- und Kulturbereich, dann muss die Politik tatsächlich handeln. Aber wohl anders als sich das der Burgtheater-Direktor vorstellt.