neue GagsEs ist hart genug ein wunderbares Comedy-Set von 15-20 Minuten Länge, das immer gut ankommt, zu erarbeiten. Wenn man es einmal hat, sollte man es natürlich genießen. Aber, und das ist wichtig, eigentlich ist unser Job nie zu Ende. Professionelle Comedians schreiben im besten Fall jeden Tag neues Material. Was auf Papier, im Kopf und bei Tests so wunderbar komisch wirkt, muss aber nicht unbedingt auf jeder Bühne funktionieren. Irgendwann kommt also der Moment, in dem man neues Material, neue Gags und Pointen bringen muss. Wie integriert man also das neue Material in ein funktionierendes Set?

Das richtige Umfeld

Auf keinen Fall sollte man einen Auftritt mit neuen, noch nicht getesteten, Pointen beginnen. Es ist besser, dass das Publikum schon einen guten Eindruck von einem Comedian bekommen hat, bevor er die neuen Gags rauslässt. Wenn die ZuschauerInnen bis dahin schon mit bewährtem Material überzeugt wurden, dass sie es mit einem sehr unterhaltsamen Profi zu tun haben, dann werden sie für die neuen Sachen offener sein.

Wenn das Publikum also schon ein paar Hammerpointen gehört und herzlich darüber gelacht hat, dann ist das Umfeld gut. Sollte das neue Material völlig daneben gehen, hast Du trotzdem eine gute Chance, die Leute mit weiterem bewährten Material wieder zurück zu holen. Im Gegensatz dazu ist das fast unmöglich, wenn du mit drei Anfangsgags, die zwar brandneu sind, aber gar nicht ankommen sind, die ZuhörerInnen dann wieder auf Deine Seite zu ziehen. Im Gegenteil, nachdem erfolgreiche Comedy-Auftritte sehr stark von der emotionalen Verfassung und der Stimmung im Publikum abhängen, ist es dann meist so, dass du sie selbst mit Jokes, die eigentlich immer gehen, nicht mehr begeistern kannst. Auch erfahrene Comedians kommen so leicht ins Schwitzen, wenn die ersten Minuten völlig daneben gehen. Das Timing stimmt dann oft nicht mehr, die Nervosität wird stärker und der Druck zu groß. Deshalb nie mit den neuen Sachen beginnen.

Gib dem Material eine Chance

Mit brandneuen Pointen zu starten ist auch dem Material selbst gegenüber nicht wirklich fair. Du könntest Dich damit verunsichern und beginnen an deinen Schreibfähigkeiten zu zweifeln. Es gibt kaum eine Punchline, die sich nicht im Laufe der Zeit verändert und einschleift. Vielleicht muss die Satzstellung geändert, ein Wort oder das Timing angepasst werden? Aber bevor man mit neuen Sachen ein Set startet, sollte das schon alles passiert sein. Der Beginn eines Sets ist so wichtig und deshalb darfst Du neuen Pointen diese Verantwortung nicht umhängen. Im Laufe der Zeit könnten diese Pointen sehr wohl stark genug sein, aber wenn man sie zu früh voranstellt beschädigt man sie vielleicht und streicht dann Ideen, die vielleicht im richtigen Umfeld und mit ausreichend Zeit zu einem Hit werden hätten können.

Man sollte auch nie, egal wann in einem Set, zu viele neue Gags nach einander machen. Vielleicht funktioniert die erste neue Pointe nahezu perfekt, aber die nächsten beiden lösen nicht einmal Schmunzler im Publikum aus. Wenn Du jetzt mit einem weiteren neuen Gag kommst, dann muss dieser auch den Absturz der letzten beiden mittragen und abfedern. Für völlig neues Material eine fast unüberwindbare Herausforderung. Besser ist es nie mehr als zwei, höchstens drei, neue Gags hintereinander zu probieren. Danach lieber ein paar getestete Pointen anbringen, die schon oft für große Lacher gesorgt haben.

Der wird nix mehr

Wie oft soll man einen neuen Gag probieren, auch wenn er nicht von Anfang an ein Brüller ist? Tja, wirklich schwer zu sagen. Wichtig ist, der Pointe unter verschiedenen Rahmenbedingungen eine Chance zu geben sich zu bewähren. Vor wenigen ZuschauerInnen, vor vielen ZuschauerInnen, bei grandioser Stimmung, bei schwierigeren Bedingungen. Neues Material setzt viel Arbeit, Kreativität und Mut voraus und deshalb ist es nur natürlich eine neue Pointe nicht zu schnell wieder aufgeben zu wollen. Die meisten Comedians versuchen es mindestens drei bis sechs mal, bevor sie aufgeben. Je nach den Rahmenbedingungen, die sie hatten um die Pointe zu testen.

Allerdings, wenn eine Pointe an einem Abend, an dem großartige Stimmung herrscht, das Publikum über fast alles lacht und sich alles gut anfühlt, ein Joke mit betretenem Schweigen und Stille konfrontiert ist, dann sollte man Verdacht schöpfen. Natürlich könnte es auch an einer falschen Betonung, schlechten Timing und Diktion liegen, aber das ist nicht sehr wahrscheinlich. Überhaupt dann, wenn man schon über Bühnenerfahrung verfügt. Man kann die Pointe dann noch einmal umschreiben, vielleicht ein paar Worte ändern, das Set-Up umstellen, aber irgendwann sollte man es lassen. Wir schreiben ja sowieso permanent und es sollte immer neues Material da sein.

Herausforderung neue Pointen

Es ist also nicht so einfach neue Gags in funktionierende Sets einzubauen oder gar sie zum Teil oder ganz damit zu ersetzen. Aber wer regelmäßig spielt kommt unweigerlich zu dem Punkt, an dem es Sinn oder notwendig wird. Dann aber sollte man die Pointen behutsam einbauen, ihnen eine Chance geben und nicht zu viel Zeit und Energie mit denen verschwenden, die einfach nicht gut genug sind.