Der größte Feind, wenn es um die Entfaltung und Umsetzung eigener Kreativität geht, ist der erbarmungslose Kritiker in uns selbst. Weil die Besten ihres Fachs alles immer so einfach aussehen lassen, glauben wir die Welt ist wirklich so. Wir sind überzeugt, dass gute Kabarettisten und Comedians permanent die großartigsten Gags zu Papier bringen. Das sie mit Leichtigkeit durchs Leben gehen und ohne Unterlass zum Brüllen komische Texte, Witze und Geschichten aus dem Ärmel schütteln. Und weil wir an uns selbst feststellen, dass dem nicht so ist, sagen wir uns gleich von Anfang an: „Das wird nicht lustig. Dir fällt nichts ein. Du bist unfähig.“ Wir stellen an uns selbst viel zu hohe Erwartungen, die wir nie erfüllen können. Und bevor wir sehenden Auges in den Untergang laufen, fangen wir gar nicht an und überlassen das Feld lieber den vermeintlichen Genies, denen alles von Gott gegeben wurde.

Die 9er-Regel verhilft zu realistischen Erwartungen

Aber der wirklich Unterschied zwischen uns und den Profis ist deren Fähigkeit den eigenen Kritiker in die Schranken zu weisen. Die Fähigkeit an das Schreiben mit realistischen und heruntergeschraubten Erwartungen heranzugehen. Aber mit dem Wissen dass Comedy nur entstehen kann, wenn man loslegt und das leere Blatt Papier, bzw. den leeren Bildschirm, mit Wörtern füllt.

„Wenn Ihre Wohnung ein Saustall ist und es kommt unerwartet Besuch dann beginnen sie einfach laut zur schreien: „Wer hat uns das angetan! Wir haben gar keine Feinde!“ – Phyllis Diller

Und mit der sogenannten 9-er-Regel von John Vorhaus hat man dafür das perfekte Werkzeug zur Verfügung. Von zehn Witzen die du erzählst, werden neun wenig bis gar nicht lustig sein. Von zehn Ideen die man hat, werden neun unbrauchbar sein. Wenn du zehn mal riskierst, wirst du neun mal verlieren. Klingt frustrierend? Ist es aber nicht. Sobald man erkennt, dass es völlig normal ist neun mal daneben zu hauen, ist man plötzlich seine eigenen überzogenen Erwartungen los. Und in dem Moment verliert auch unser innerer Kritiker alle Macht über uns. Wir können einfach loslegen, ohne unter massivem Erfolgsdruck zu stehen.

Bedeutet das aber auch, dass man immer neun mal versagen muss, bevor man Erfolg hat? Natürlich nicht. Aber zu wissen, dass die eine großartige Idee, der eine Super-Gag, nicht einfach so im Nichts entsteht gibt einem den Mut und die Kraft es immer wieder zu versuchen. Und wenn bei zehn Ideen drei großartige Comedy-Ideen dabei sind, um so besser. Die 9er-Regel ist kein unumstössliches Gesetz. Sie ist nur ein Instrument, um der völlig irrationale Angst zu versagen und den genauso absurden Druck immer und jedesmal den besten Gags des Jahres zu schreiben, erfolgreich entgegen zu treten.

Keine Angst vor dem Versagen

Die 9er-Regel erlaubt uns unsere persönliche Einstellung in den Griff zu bekommen. Sie lehrt uns, dass es falsch ist Versagen zu fürchten, sondern es einfach als Teil der Arbeit zu erwarten. Wenn man immer erwartet sofort das Beste zu erschaffen, dann fürchtet man das Versagen. Mit der 9er-Regel ist die Erfolgs-Erwartungen so weit herunter geschraubt, dass man eigentlich nichts zu verlieren hat. Die Versagens-Angst ist weg.

„Ich bin kein Fatalist. Aber selbst wenn ich einer wäre, was könnte ich schon dagegen tun?“ – Emo Philips

Wenn man also davon ausgeht, dass von zehn Gags die man geschrieben hat, nur einer wirklich gut ist und funktioniert, dann wird auch schnell klar, dass man hunderte Gags schreiben muss um gutes Material zu bekommen. Man versucht es also immer wieder und immer wieder wird man scheitern, bis man zur guten Idee kommt. Man lernt also, dass das Scheitern unausweichlich ein Teil des Weges zum Erfolg ist.

Die 9er-Regel ist immer nützlich, wenn es um humoristisches Schreiben geht. Wir brauchen einen lustigen Namen, dann denken wir uns einfach zehn aus. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass bei den zehn ein Witziger dabei ist. Wir haben aber keine Angst auch neun nicht so lustige Namen hinzuschreiben. Wichtig ist, dass wir es einfach tun. Dass wir mit dem kreativen Prozess beginnen. Wir schieben es nicht auf, weil wir Angst haben, dass uns nichts einfällt. Wir wissen jetzt, dass die meisten unserer Namen nicht sehr lustig sein werden, aber das die nicht so lustigen Einfälle uns schlussendlich zu dem führen werden, denn wir wollten und der ein Brüller ist.