Ein wichtiger Schritt beim erarbeiten erfolgreicher Comedy ist dem Thema auch noch einen ganz persönlichen und sehr emotionalen Zugang zu geben. Die Emotionalität gibt dem Gag laut Judy Carter erst die richtige Energie und Richtung. Genauso wie Schauspieler ihren Text nie ohne Emotion und Ziel aufsagen, bringt ein Stand-Up Comedian einen Gag nie ohne die richtige Emotionalität oder persönliche Einstellung (die Attitude). Eine kurze Wiederholung: Ein Gag oder Witz besteht fast immer aus fünf Teilen:

Attitude + Topic + Premsie + Act-Out + Mix + Act-Out

Attitude, Topic, Premise = Setup (Serious) Act-out,Mix = Funny (funny)

Hier mein Übersetzungsversuch:

Emotionalität/Persönliche Einstellung + Thema/Inhalt + Prämisse/Vorraussetzung + Ausspielen + Mix + Ausspielen

Grundhaltung,Thema,Premisse = Gagvorbereitung (ernst) Ausspielen, Mix = Pointe (komisch)

Comedy ist immer Ausdruck von Emotionalität

Sogar beim Schreiben von Comedy-Material setzen erfahrene Comedians auf Emotionen (Attitude). Das ist auch einer der Gründe, warum erfolgreiche Comedians oft mit Partnern schreiben, oder zumindest einem Diktiergerät. Sie müssen ihre Witze laut aussprechen, mit der richtigen Emotion verbinden und dann schreiben sie sie oft erst auf. Witze ohne Emotion erzählt, wirken künstlich, auswendig gelernt und dann mehr oder weniger gut zitiert. Sie mögen trotzdem ganz witzig sein, werden so aber nie bei Live-Publikum für die ganz großen Lacher sorgen.

Judy Carter zählt emotionale Zugänge zu Gags und Witzen auf, die für die Erarbeitung von Stand-Up-Material besonders hilfreich sind: komisch/absurd, erschreckend, schwer, blöd/dumm. Bevor man beginnt Material zu schreiben sollte man diese Worte fix ins ein Gehirn eingebrannt haben. Man sollte diese Worte laut aussprechen und sie dabei überbetonen und rausziehen: „schweeeeeerrrrrr.“ Diese Worte sind für einen Comedian das Werkzeug, um die großen Lacher zu bekommen.

Oft hat man Ideen für einen kleinen Gag oder Witz während man so aufmerksam durchs Leben geht. Aber ohne Emotionalität bleiben diese Ideen auch nur ein kleiner Gag. Mit Emotionalität hat man vielleicht gerade den großen Gag gefunden, der das Publikum so lachen lässt, dass ihnen die Tränen in die Augen schießen. Emotionalität bringt die Energie, die ein Thema von der Idee zum Gag macht.

„Piercing ist komisch. Ich komme aus San Francisco, wo viele Leute total auf Body-Piercing abfahren. Nach einiger Zeit schauen sie aus, als ob sie von einer Nagelschußmaschine überfallen worden wären. Fünfzehn Flinserln hier, ein kleiner Handtuchhalter hier.“ – Robin Williams

Williams Einstellung, dass er Piercing komisch findet, eröffnet den Gag und am Ende sagt er uns wie absurd und komisch Piercing wirklich ist. Das Schwierigste bei einem Live-Auftritt ist das Publikum zu fesseln und dessen Interesse immer wieder aufs Neue zu wecken. Die Emotionalität in Form einer Frage am Anfang eines Gags zu stellen kann dabei oft helfen. Z.B. Sind Nordic Walker nicht komisch? Halten sie unsere Politiker auch für so blöd? Kann Facebook nicht erschreckend sein?… Aber warum sind fast alle diese Emotionalitäten immer negativ? Ganz einfach. Die wenigstens Menschen sind bereit Zeit und Geld zu opfern, um einen Comedian, bzw. Kabarettisten, dabei zuzuhören, was er oder sie liebt und nett findet. Im Gegenteil, die Leute wollen genau das ausgesprochen hören, das sie aus Höflichkeit, aus gutem Geschmack oder einfach aus Angst nie so offen und hart aussprechen würden.

Es sind die Themen die sie vertückt machen, die ihnen Angst und Sorgen bereiten, die sie für dumm und absurd halten. Comedy-Profis stellen ihren Gags immer Emotionalität voran, auch wenn sie sie nicht immer wörtlich aussprechen oder die vorher angeführten Wörter dazu verwenden. Wenn ein Comedian auf der Bühne fragt: »Was ist eigentlich mit dem Kanzler los?«, dann impliziert er, dass der Kanzler was Dummes gemacht hat, was Blödes gesagt hat oder in irgendeine Absurdität verwickelt ist. Profis können ihren emotionalen Zugang zu einer Geschichte schon mit einem besonderen Gesichtsaudruck, einer Geste, ihrer Stimmlage und anderen Kleinigkeiten perfekt ausdrücken.

Aber für Comedians, die noch nicht so erfahren sind oder gerade anfangen, ist es unerlässlich, dass sie die Emotionalitätsworte, bzw. ihre Einstellungen, tatsächlich am Anfang eines Gags aussprechen. Z.B. Ist es nicht absurd wie…, ist es nicht komisch, dass….., es ist erschreckend wenn…wie blöd muss man sein….das macht mich wahnsinnig, dass….etc. Erst wenn man sein Material oft genug mit diesen Worten und solchen emotionalen Einführungen bzw. Grundhaltungen geübt hat, kann man sie später auch weglassen. Denn dann sollte diese Technik einem schon in Fleisch und Blut übergegangen sein.

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