Genieße den Moment

Letzte Woche trat meine Tochter wieder einmal bei einem internationalen Synchronschwimm-Wettbewerb für Österreich an. Als fachkundiger Laie ist mir bei dem Wettbewerb in Bratislava etwas aufgefallen, das auch für Comedians, RednerInnen und Vortragende wichtig ist. Meine Erkenntnis: der Wettkampf beginnt schon vor dem Startsignal. Manche gewinnen schon, bevor sie überhaupt im Wasser sind. Der Auftritt beginnt vor dem ersten gesprochenen Wort.

Zuerst ein paar kurze Erklärungen zum Synchronschwimmen. Warum mal nicht was Neues lernen? Ja, auch ich habe inzwischen ein paar wirklich lustige Comedy-Nummern zum Thema und insgesamt ist Synchronschwimmen ja ein beliebtes humoristisches Ziel. Ich selbst habe durch meine Tochter inzwischen die harten Realitäten dieses Sports kennengelernt. Sieben Tage die Woche vier bis sechs Stunden beinhartes Training. Tanzen, Akrobatik, Kondition, Stunden im Wasser und vieles mehr. Und dann knallharte Wettbewerbe bei denen jedes Detail zählt. Hier ein Faktum, das die wenigsten kennen. Ja, Synchronschwimmen gibt es auch als Einzelwettbewerb. Synchronschwimmen bedeutet nicht zwingend, dass wenn die eine absäuft die andere auch automatisch ertrinken muss. Synchronschwimmen bezieht seine Bezeichnung ursprünglich aus der Tatsache, dass die Schwimmerinnen synchron zu Musik schwimmen. Ähnlich wie im Eiskunstlauf. Deshalb gibt es – bis zu Weltmeisterschaften – auch einen Solo-Wettbewerb im Synchronschwimmen.

Wenige Zehntelpunkte entscheiden

An einem solchen hat meine Tochter eben teilgenommen. Für sie war es der erste Wettkampf in der älteren „Junioren“-Kategorie und es ging um die Erreichung des Qualifikationslimits für die kommenden Europameisterschaften. Die Konkurrenz ist so hart, dass oft Zehntelpunkte über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Wie beim Eiskunstlauf gibt es ein Pflicht- und Kürprogramm, das die Mädchen schwimmen müssen. Dabei gibt es zwei Wertungen der sieben WertungsrichterInnen. Eine über die technischen Schwierigkeiten des gezeigten Programms und eine über die sogenannte Artistic Impression, also den künstlerischen Eindruck, bzw. Ausdruck. Völlig klar, dass es bei der Wertung um subjektive Eindrücke der (noch) menschlichen RichterInnen geht. Und jetzt sind wir beim Punkt.

Wenn eine Athletin an der Reihe ist, dann präsentiert sie sich mit einer Art Aufmarsch. Sie kommt am Kopf des Schwimmbeckens vom Seitenrand des Beckens herein, stolziert zur Mitte des Beckens bis zu ihrer Startposition, dort nimmt sie ihre Anfangspose ein. Dann ertönt ein Signal um die Musik zu starten und die eigentliche Nummer beginnt mit ein paar choreographierten Tanzschritten, einem eleganten Sprung ins Wasser und einer besonders spektakulären Figur beim ersten Auftauchen.

Der erste Eindruck zählt

Das Verblüffende, es ist faszinierend zu beobachten wie sehr die Wertungen der RichterInnen schon vom Moment des Einmarsches bis zum ersten Auftauchen beeinflusst werden. Nicht selten beeindrucken Mädchen mit ihrem Charisma am Beginn. Man hat das Gefühl sie wollen das Bad, die ZuschauerInnen und die RichterInnen durch ihre Ausstrahlung, ihr Lächeln und ihr Selbstbewusstsein im Sturm erobern. Sie wirken, als könnte sie nichts glücklicher machen als hier in diesem Moment zu sein, zu zeigen woran sie so hart gearbeitet haben und den Moment im Scheinwerferlicht zu genießen. Lampenfieber, Anspannung, Druck und Nervosität können sie nicht davon abhalten den Moment voll auszukosten.

Und selbst wenn dann bei ihnen nach der Hälfte oder auch zwei Drittel der Kür die Kraft ausgeht, sie nicht mehr so hoch aus dem Wasser kommen und sich technische Unsauberkeiten einschleichen, bekommen sie hohe Wertungen. Vor allem in der Artistic Impression. Und Mädchen, die auch gekonnt einmarschieren, technisch einwandfrei starten und dann auch noch mehr Kraft und technische Fähigkeiten besitzen, bekommen dann auch nur die gleiche – oder sogar geringere – Punktezahl. Ich habe keine Zweifel. Ein selbstsicherer, fröhlicher und ehrlich gut gelaunter Auftritt kann oft den einen Punkt bringen, der über eine Teilnahme an Olympiaden, Weltmeister- und Europameisterschaften entscheidet.

Wer liebt, wird geliebt

Überraschung: genau so ist es auch für uns Comedians, KabarettistInnen und RednerInnen. Bevor wir auf die Bühne gehen, sollten wir uns immer wieder sagen, wie geil es ist hier sein zu dürfen. Wie toll es ist, dass Menschen gekommen sind um uns zu sehen und zu hören. Wie viel Respekt und Einsatz unserseits diese Menschen verdienen, weil sie ihr Leben so eingerichtet haben, dass sie uns zuhören können. Wenn wir auf die Bühne treten müssen sie schon vor dem ersten Wort, dem ersten Witz und der ersten Pointe spüren wie sehr wir uns freuen, dass sie da sind. Das ist es, wenn wir von Charisma und Bühnenpräsenz reden. Das ist der Grund, warum manche Performer auf keiner noch so großen Bühne verloren wirken. Warum man das Gefühl hat, dass sie die Bühne in Besitz genommen haben. Und wenn das Publikum diesen Eindruck einmal hat, wird es gerne lachen und uns unterstützen. Das ist der Grund warum manche KünstlerInnen mit scheinbar wenig oder einfachen Dingen riesige Erfolge feiern und andere mit den größten Tricks und technischen Fähigkeiten scheitern.

Unser Publikum ist wie die Wertungsrichter beim Synchronschwimmen. Der erste Eindruck setzt die sogenannte Baseline. Wenn der erste Eindruck perfekt ist, dann ist es leichter später gute Noten oder mehr Applaus zu geben. Der erste und entscheidende Eindruck entsteht eben immer vor dem Startsignal (beim Synchronschwimmen) oder dem ersten Wort auf der Bühne oder dem Podium. Sei dir dessen immer bewusst.