Kopfkino - Gesten statt Worte

Die höchste Form der Comedy bezeichnen KollegInnen und ich als Kopfkino. Wir alle bewundern Comedians, die in ihren Geschichten mit Gesten, Gesichtsaudruck und Andeutungen ihre Erlebnisse zu blühendem Leben erwecken ohne alles zu verbalisieren. Sie schaffen es ohne Worte die Komik in den Köpfen der ZuschauerInnen entstehen zu lassen, in Gedankenwelten die das Publikum selbst erschafft. Vom Comedian zielsicher zur Pointe geführt. Die wichtigste Regel dabei: Red nicht, tu es!

Kopfkino kommt, wenn Worte verschwinden

Ich muss mich da selbst oft an der Nase nehmen, aber in der Comedy gilt vor allem ein Grundsatz, wenn es zu Worten kommt: Weniger ist mehr. Deshalb ist es auch so wichtig, dass geschriebene Material immer wieder zu redigieren und vor allem überflüssige Worte zu eliminieren. Ich habe leider auch die schlechte Angewohnheit immer wieder mit sinnlosen Worten und ganzen Sätzen Pausen zu füllen oder Offensichtliches zu erklären. In harter Arbeit versuche ich mich von Auftritt zu Auftritt zu verbessern. Und siehe da, je härter ich Pausen einhalte, die Stille bewusst nutze und leere Worthülsen weglasse, desto besser kommt mein Material an. Kurzer Ausflug, weil es zum Thema passt. Niemals eine Pointe erklären. Wenn eine Pointe nicht funktioniert, dann funktioniert sie nicht. Wenn dann ein Comedian auch noch versucht sie zu erklären, verliert er sofort den Respekt des Publikums. Denn entweder ist die Pointe so schlecht, dass sie auch mit Erklärung nicht funktioniert, oder der Comedian unterstellt mit seiner Erklärung dem Publikum sie hätten den Gag nicht verstanden. Wer will schon für dumm erklärt werden?

Zurück zum Thema Gesten statt Worte. Beim redigieren und umschreiben deiner Gags solltest du dich immer fragen, welche Worte oder ganze Beschreibungen könntest du durch kleine Gesten, Gesichtsausdruck oder sogenannte Act Outs (also ausspielen) ersetzen? Ich garantiere dir, dass jedes mal wenn du das geschickt und gut hinbekommst der Gag und die Pointe weit besser ankommt, als wenn alles verbalisiert wird.

Vertraue der Kreativität des Publikums

Ich will versuchen es mit Beispielen zu zeigen.

…Mein Witz auf Kosten ihrer besten Freundin kam bei meiner Frau nicht so gut an.

Als ich sie fragte was sie gerne zum Nachtisch hätte sagte sie: »Ich da eine Idee mein Schatz: deinen qualvollen Tod.«….

Die kürzere Version:

…Mein Witz auf Kosten ihrer besten Freundin kam bei meiner Frau nicht so gut an.

[Ich übertrieben freundlich gespielt] »Schatz was hättest du gern zum Nachtisch?«

[Spiele Frau; zeige mit Finger auf mich und dann Geste den Hals durchschneiden]

Und schon wurde nicht nur der Text um mindestens neun Worte gekürzt, nein, die Pointe war plötzlich nur mehr eine ganz klare – und im Kontext – sehr witzige Geste. Mit einer Handbewegung war klar welche Gefühle meine Frau in dem Moment mir gegenüber hegte.

Ein weiteres kleines Beispiel:

Meine Frau stellt in unserem Schlafzimmer im Winter immer so ein Luftbefeuchtungsgerät auf. Damit wir nicht austrocknen. Der muss aber in der Nacht immer wieder nachgefüllt werden. Wer muss das machen? Ich. Begründung meiner Frau: »Du musst in deinem Alter in der Nacht je eh schon immer wieder aufstehen.« Sehr nett. Gestern heute nacht musste ich dann tatsächlich wieder raus.

Um zwei bin ich also aufgestanden und dann stand ich da vor dem Luftbefeuchtungsgerät. Da habe ich dann eine Idee gehabt. Warum nicht zwei Fliegen mit einer Klappe erledigen?

Pointe mit Gesten statt Worten:

Meine Frau stellt in unserem Schlafzimmer im Winter immer so ein Luftbefeuchtungsgerät auf. Damit wir nicht austrocknen. Der muss aber in der Nacht immer wieder nachgefüllt werden. Wer muss das machen? Ich natürlich. Begründung meiner Frau: »Du musst in deinem Alter in der Nacht je eh schon immer wieder aufstehen.« Sehr nett. Heute nacht musste ich dann tatsächlich wieder raus.

Da stand ich vor dem Gerät, um zwei in der Nacht…[Andeutung pinkeln, siegessicheres Lächeln]

Und wieder zumindest 16 Worte eingespart und das Publikum kann sich selbst ausmalen, wie ich das Luftbefeuchtungsgerät nachgefüllt habe.

Gesten schlagen Worte

Wenn man den Besten im Comedy-Geschäft zuschaut, genau hinhört aber vor allem auch hinsieht, dann bemerkt man schnell wie gekonnt die Profis mit Mimik und Gestik spielen. Wie oft sie Pointen nur durch Andeutung in den Köpfen der ZuschauerInnen entstehen lassen und so das Publikum einbinden. Für mich ist das die wahre Kunst guter Stand-Up Comedy und ich versuche immer wieder meine Texte auf mögliche Verbesserungen abzuklopfen. Das höchste Ziel ist die Kreativität der ZuhörerInnen zu nutzen und in ihren Köpfen Kopfkino zu erzeugen. Denn nichts ist schöner als zu sehen wie einem Publikum vor Lachen Tränen kommen.