Gestern war ich mit der U-Bahn in Stuttgart unterwegs und an einer Haltestelle stürmte eine Kindergruppe den Waggon. Die Kinder waren im Schnitt ca. 8-9 Jahre alt und ein paar von ihnen setzten sich direkt gegenüber von mir hin. Und offensichtlich waren sie gerade dabei, eine sehr tief gehende und emotionale Diskussion zu führen. Das Thema, das sie beschäftigte: Was ist dein größter Wunsch? Abwechselnd argumentierten sie pro oder contra Pony, oder einer Zukunft als Iron-Man, einem Schloß, einen eigenen, privaten Fußballplatz und vieles mehr. Ich war fasziniert, hörte zu und plötzlich begann ich mich selbst zu hinterfragen. Was wäre eigentlich heute mein größter Wunsch? So leicht ist das gar nicht zu beantworten, wenn man mal wirklich ernsthaft darüber nachdenkt.

Vielleicht wäre mein größter Wunsch zu wissen, was mein größter Wunsch ist? Denn wenn ich es genau wüsste, dann könnte ich mein Leben, mein Handeln und meine Energien genau so einsetzen, um mir selbst diesen Wunsch zu erfüllen. Auf der anderen Seite, könnte aber auch das Wissen um meinen größten Wunsch auch am Leben verzweifeln lassen. Sollte sich nämlich herausstellen, dass mein größter Wunsch, auch bei größtem Optmismus und den härtesten Anstrengungen nicht erreichbar ist, stellt sich sofort die Frage nach der Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens.

Ich kann eigentlich nicht beantworten, was mein größter Wunsch ist. Natürlich möchte jeder gesund bleiben, lieben und geliebt werden. Man möchte seiner Familie ein schönes Leben bieten und auch im Beruf erfolgreich sein. Aber das sind – wenn auch absolut legitime Anliegen – Wünsche, die quasi zur fast universellen Wunschliste aller Menschen gehören. Das Problem ist doch, dass wir Menschen gar nicht dazu fähig sind einen einzigen größten Wunsch zu haben. Dafür sind wir nicht gebaut.

In Wahrheit wachsen unsere Wünsche mit uns. Der größte Wunsch eines 10-jährigen Jungens ist vielleicht gerade das neueste Computerspiel, ein paar Jahre später aber schon die süße Kleine mit den dunklen Locken und wunderschönen braunen Augen? Und wieder ein paar Jahre später ist es das eigene Auto, ohne dem ein weiteres Leben für ihn nicht möglich scheint. So sind wir halt. Die Wünsche verändern sich mit unserem Lebensweg und das macht auch Sinn. Denn viele unserer momentan scheinbar größten Wünsche können wir so auch erfüllen. Und dann geht ein neuer Lebensabschnitt los und wir arbeiten an der Erfüllung des nächsten Wunsches. Hätten wir von Anfang an den einen „größten Wunsch“ dann wäre die Gefahr ihn nie erreichen oder erfüllen zu können einfach zu groß.

Oder sogar umgekehrt. Was wäre wenn wir unseren größten Wunsch, den einen Wunsch der unser Leben lebenswert macht, tatsächlich erfüllen könnten? Wozu dann weiterleben? Wonach weiter streben? Je länger ich über die Frage nach meinem größten Wunsch nachdenke, desto verunsicherter bin ich. Und das alles nur wegen ein paar Kindern in der Stuttgarter U-Bahn.

Ich bekomme das Gefühle, dass ich permanent von größten Wünschen beseelt bin. Ein paar Minuten mit einem geliebten Menschen verbringen. Und nach den paar Minuten dann vielleicht doch lieber gleich ein paar Stunden? Sehnsucht nach Berührung, nach sanfter Zärtlichkeit, nach Intimität, nach Erfüllung? Alles Dinge die schon mehrmals im meinem Leben über bestimmte Zeiträume mein „größter“ Wunsch waren. Und auch diese Wünsche waren nur ein Teil meines Lebens, die oft wieder auch von anderen Wünschen bzw. Träumen im Job, im Sport, etc. überdeckt wurden.

Jetzt wird mir plötzlich klar, was mein größter Wunsch sein könnte. Nämlich, dass mir die Wünsche nicht ausgehen. Dass es immer neue Ziele, Wünsche oder Träume in meinem Leben gibt, für die es sich lohnt aufzustehen, zu leben und zu atmen. Mein größter Wunsch ist es immer Wünsche und Träume zu haben, die das Leben so lebenswert machen. Und jetzt ist Schluss mit der Wünscherei.