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Bevor ich es niederschreibe möchte ich festhalten, dass mir der Satz selber peinlich ist. Ich hätte nie gedacht, dass ich ihn aussprechen, geschweige denn schreiben, würde. Zugegeben, auf der anderen Seite spreche ich Sätze wie „wenn du nicht rechnen gehst, dann verschwindet der DVD-Player“ oder „wenn du dein Zimmer nicht aufräumst wird aus deinem iPod ein iFort“ auch mit Routine aus. Ich bin also inzwischen zum Klischee meiner eigenen Eltern geworden. Ja, auch ich habe mir geschworen nicht so wie Papa zu werden, aber neben dem Nasen- und Ohrenhaaren, ist es jetzt auch semantisch so weit. Nun aber zu dem eigentlichen Satz, für den ich mich doch noch ein wenig geniere. Hier ist er. Ungeschminkt, brutal und offen, so wie er mir rausgerutscht ist: „Zu unserer Zeit hätt's sowas nicht gegeben!“

Rausgerutscht ist er mir nach einer Auseinandersetzung mit meiner 13-jährigen Tochter. Als ich in ihrem Alter war sind Meinungsverschiedenheiten zwischen Kind und Vater noch anders abgelaufen. Die weltbewegenden Verhandlungen zwischen meinem Vater und mir wegen eines – meiner Meinung nach – illegalen Walkman-Verbots, das ich aufgebrummt bekommen hatte, waren dafür typisch.

Kurzer Einschub für die jungen LeserInnen: Ein Walkman war im Prinzip ein Vorläufer des iPods. Damit konnte man Musik abspielen, die man zuvor mühsam auf einem kilometerlangen Plastikband aufgenommen hatte. Wohlgemerkt aus dem Radio aufgenommen hatte, mit der völlig sinnlosen Hoffnung, Udo Huber möge einmal nicht in einen Song der Hitparade reinquatschen bevor er zu Ende war. Dieses Band war in einer keinen Plastikschachtel aufgerollt und fungierte so als Festplatte des Walkmans. Hatte einen Vorteil: bei einem Festplattenabsturz konnte man gelegentlich die Musik mit einem Bleistift retten, in dem man die Schachtel quasi aufspießte und aus dem Handgelenk um den Bleistift drehte. So konnte man das Band zuerst entwirren und dann wieder aufrollte.

Egal, zurück zum Streit mit meinem Vater. Er nahm mir also den Walkman ab und ich reagierte mit der ungeheuer emotionalen Drohung: „Ich werde allen meinen Freunden sagen was für einen furchtbaren Vater ich habe.“ Er reagierte darauf mit dem – aus heutiger Sicht recht coolen – Spruch: „Kein Problem, dann sage ich allen deinen Freunden, dass du noch keine Haare am Sack hast.“ Ja, so wurde das damals geregelt.

Heute ist das alles anders. Ich habe das unlängst selbst erfahren müssen, als ich mit meiner Tochter eine kleine Meinungsverschiedenheit zu den Hausregeln in unserer Wohnung hatte. Nach meinen ersten Sanktionsdrohungen drehte sie sich mit einem einfachen „Okay, Papa“ um und ging in ihr Zimmer. Für ein paar Stunden hatte ich wirklich das Gefühl eine Respektsperson zu sein. Die Wahrheit traf mich dann am nächsten Tag wie ein Keulenschlag.

Unschuldig wie ein junges Reh ging ich online. Ab zu Facebook, denn hey, ich bin cool. Und da war es dann. Es gab eine neue Facebook-Seite mit dem Titel: Ich hasse Niko Formanek. Innerhalb von acht Stunden hatte die neue Seite meiner Tochter mehr als 450 Fans gefunden. Da stand dann: „250 deiner Freunde gefällt das!“ Auf der Seite waren Fotos von mir, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie gab. Ich am Strand in Italien, im Leopardentanga, Bierwampe die über den String hängt, Sangria-Eimer unter dem Arm und unter dem Bild stand zu lesen: „Mein Vater bei der Arbeit.“ Und das ist nur eines der Bilder, über die ich hier schreiben kann, ohne aus dem iTunes-App-Store verbannt und auf Facebook gesperrt zu werden.

Mir fehlten die Worte. Was kann man da noch tun? Außer zu sagen: „Zu unserer Zeit hätt's sowas nicht gegeben!“