Versagen ist Teil des JobsGestern hatte ich wieder so einen Abend. Gott sei Dank passiert mir das nicht mehr oft, aber es hat einfach nicht funktioniert. Und es war meine Schuld. Es ist immer die Schuld des Künstlers und nicht die des Publikums, der Crew oder des Saals. Aber natürlich macht man sich nachher Gedanken und überlegt, was schief gelaufen ist. Von Anfang an habe ich einen Teil des Publikums nicht erreicht. Es wäre vielleicht nicht so problematisch gewesen wenn der Saal voll gewesen wäre. War er aber nicht.

Vor mir waren fünf lange Tischreichen, so ähnlich wie in einem Bierzelt, und selbst die waren nicht voll besetzt. Ich schätze es waren ca. 40 Leute im Publikum. Bei einem vollen Haus hätte man wohl leicht 150 — wenn nicht mehr — Gäste untergebracht. Von Anfang an hat der Tisch links außen von mir, meinem Humor wohl nicht so viel abgewinnen können.

Die ersten Pointen haben das Ende vorweggenommen

Es hat klassisch begonnen. Schon bei den ersten Pointen waren die Lacher nicht so laut und heftig wie sonst. Links von mir vielleicht ein wenig Schmunzeln und Gekicher aber sonst nichts. Und obwohl auf den anderen Tischen zuerst die Zustimmung groß war, wurde sie dann auch dort immer zurückhaltender. Das ist ja so ein Phänomen bei Kabarett und Comedy. Wenn der Teil, der sich gut unterhält den Teil, der sich nicht so wohl fühlt, nicht mitreißen kann, dann passiert es eben genau umgekehrt. Dann ziehen die Unlustigen die Lustigen runter. Plötzlich trauen die sich nicht mehr so laut zu lachen, fragen sich, ob sie vielleicht den schlechteren Humor haben und sind verunsichert. Und genau das ist mir passiert.

Obwohl ich es schon ein paar mal geschafft habe solche Situationen aufzufangen, ist es mir eben gestern nicht gelungen. Ich war verunsichert. Schon nach den ersten Pointen war mir klar, dass Teile des Publikums nicht meinen Humor haben würden. Sofort habe ich dann auch alle die Fehler gemacht, die man eigentlich als erfahrener Comedian nicht machen sollte. Ich bin schneller geworden, habe im Kopf begonnen das Material umzustellen und sogar die erste Hälfte meiner Show mit neuem Material verlängert. Das hat alles nichts gebracht. Ich hatte die falsche Abzweigung genommen und konnte nicht mehr umdrehen.

Der Absturz kann jedem passieren – auch den Besten

Aber so ist das nun mal in unserem Geschäft. Es gibt solche Shows. Und egal wie gut und erfahren man ist, sie passieren immer wieder. Selbst den Allerbesten unter uns. Vielleicht stürzen sie nicht völlig ab (war gestern bei mir auch nicht so), aber sie spüren innerlich, dass die Show mies gelaufen ist. Das ist Comedy.

Ich habe Touren erlebt, bei denen am ersten Abend ein Kollege den Saal zum Ausflippen gebracht hat, und dann am nächsten Abend in einer anderen Stadt, mit dem exakt gleichen Material und Pointen völlig untergegangen ist. Ein Veranstalter hat mir mal in einem Gespräch gesagt: »Ich könnte das nicht. Comedy! Es gibt keine Garantie dass die Leute lachen. Bei Musikern ist das einfacher. Wenn es gar nicht läuft wird halt ein eigener Hit oder ein Welthit eines anderen ausgepackt und schon läuft’s wieder. Aber bei Euch. Die Pointe die an einem Abend ein Hit ist, ist am nächsten Abend vielleicht ein Flop.«

Das Leben geht weiter, trotz Bühnentod

Was also tun? Zuerst einmal einfach akzeptieren, dass das Versagen Teil unseres Geschäfts ist. Es kann immer passieren. Und im Gegensatz zu weit wichtigeren Jobs auf dieser Welt stirbt niemand wegen schlechter Witze. Nur wir selbst auf der Bühne haben das Gefühl tausende Tode zu sterben. Trotz dieser vermeintlichen Tode können wir nachher noch was trinken, der Welt in die Augen sehen und dürfen meist auch noch nach Hause kommen. Wir müssen also lernen, dass ein schlechter Abend nicht das Ende unserer Welt bedeutet.

Zweitens: Versuchen wir daraus zu lernen. Am einfachsten ist das, wenn man seine Auftritte aufzeichnet. Dann sind all die kleinen Fehler, die zum vermeintlichen Desaster führen, auch schön zu sehen. Die Verunsicherung, die Beschleunigung, die Körpersprache und all die anderen Dinge, die auch dem Publikum zeigen, dass man verunsichert ist und in der Klemme steckt. Die Besten unter uns können genau das kontrollieren und schaffen es so das Publikum wieder zu entspannen.

Drittens: Wenn wir aus solchen missglückten Abenden lernen, dann können wir auch ein wenig an ihnen wachsen. Je öfter wir spielen, je mehr wir schreiben und je besser wir lernen mit Publikum umzugehen, desto seltener wird uns so ein Absturz passieren. Und das ist es worauf es ankommt.

Wieder rauf auf’s Pferd und losreiten. Wenn wir gut sind schaffen wir immer weitere Strecken ohne runterzufallen. Und wenn wir wirklich einer zu den Besten der Welt aufschließen, werden wir irgendwann eimal so sicher im Sattel sitzen, dass wir im schlimmsten Fall vielleicht nur ein wenig seitlich aus dem Sattel rutschen, aber nicht mehr ganz raus fallen. In diesem Sinne: ich geh’ wieder mein Pferd satteln.