LeserInnen fangen und haltenWer immer sein Publikum mit einem Buch, einer Rede, einer Präsentation, einem Blog oder aber auch von einem Produkt beziehungsweise Service begeistern will, muss überzeugende Geschichten erzählen. Ja, bis zu einem gewissen Grad hat Schreiben und Überzeugen mit Talent zu tun, aber viel mehr noch mit gutem Handwerk. Handwerk, das man trainieren und verbessern kann. Und, man glaubt es kaum, man kann die Kunst des Geschichtenerzählens sogar mit wissenschaftlicher Hilfe optimieren. Psychologie und Neurologie helfen uns, so zu formulieren, dass wir unserer LeserInnen begeistern können.

Lass sie etwas fühlen

Ich wollte meine Frau überraschen. Ich wollte ihr zeigen wie sexy ich noch bin. Also startete ich das Projekt Enthaarung. Mit meinem Gillette Rasierer mit 5fach-Klinge stieg ich in die Dusche. Ich seifte mich ein. Mit der linken Hand schützte ich meine wertvollsten männlichen Besitztümer, mit dem Rasierer in der rechten Hand begann ich die Entlaubung meiner Bikinizone. Dabei machte ich nur einen kleinen Schritt zurück, stieg auf das Feuerwehrboot meines Sohnes, das umgehend mit einer schrillen Sirene reagierte. Mir fiel das Herz in die nicht vorhandene Hose. Mit der Linken wollte ich mich festhalten und verhindern auszurutschen, mit der dritten und vierten Klinge des Gillette-Rasierers in meiner rechten Hand schnitt ich mir tief in den rechten Hoden. Aaaaahhhhhhh……….

Autsch! Kannst du meinen Scherz wenigsten ein bisschen spüren? Ja? Das ist die Macht der sogenannten Spiegelneuronen. Ein Spiegelneuron ist eine Nervenzelle, die im Gehirn von Primaten beim Betrachten eines Vorgangs die gleichen Gefühle auslöst, wie es entstünde, wenn dieser Vorgang nicht bloß betrachtet oder gehört, sondern selbst durchgeführt und erlebt würde.

Spiegelneuronen lassen uns mitfühlen

Entdeckt hat man das Phänomen 1992 in der italienischen Stadt Parma: mit einem Affen, einem Versuchsleiter und einer Erdnuss. Eigentlich wollte man nur erforschen, wie Handlungen im Gehirn geplant und umgesetzt werden. Griffen die Tiere nach Futter, konnten die Forscher entsprechende Hirnströme messen. Doch plötzlich schlug das Messgerät auch aus, als einer der Forscher selbst nach einer Erdnuss griff. Dabei saß der Affe ruhig da und schaute nur zu.

Die Nervenzellen des Affen sandten offenbar bereits Signale aus, sobald er die Bewegung nur beobachtete und sie spiegelten förmlich das Verhalten des Gegenübers. Die Nervenzellen, die im Gehirn diese Signale auslösten, nannten die Forscher Spiegelneuronen. Vor drei Jahren gelang der direkte Nachweis, dass auch Menschen über solche Zellen verfügen. Gute AutorInnen schaffen genau das mit ihren Geschichten. Sie beschreiben Szenen und Aktionen, die die Spiegelneuronen in den Gehirnen ihres Publikums auslösen. Plötzlich können die LeserInnen und ZuhörerInnen meinen Schmerz in der Dusche nachfühlen. Besonders, wenn sie mein Missgeschick in einem Film auch sehen könnten.

Emotionen wecken

Wenn wir Texte schreiben, sollten wir uns dieses Phänomens sehr bewusst sein. Wir müssen es nutzen, um unser Publikum emotional zu binden.

Es ist einfach zu schreiben:

Mehr als 400 Kinder kamen bei dem Angriff mit chemischen Waffen ums Leben.

Es ist besser zu schreiben:

Die Augen brannten wie Feuer, jeder Atemzug fühlte sich an als würde die Stichflamme eine Schweißbrenners die Lunge füllen und der 9-jährige Amir konnte nicht begreifen warum? Plötzlich erbrach er Blut, sein Weinen klang wie ein ersticktes Gurgeln und als sein kleiner Körper den Kampf gegen das Giftgas aufgab, wurde er zu einem, von mehr als 400 Kindern, die bei dem Angriff ihr Leben verloren. Noch bevor sie eine Chance gehabt hatten es zu leben.

Unsere Botschaft ist nicht egal

Unser Text, unsere Botschaft und unsere Ideen dürfen den LeserInnen nicht egal sein. Wir müssen ihre Emotionen, ihr Gefühl, ja, auch ihr Mitgefühl, stimulieren. Wir müssen Emotionen ansprechen, die im Prinzip schon da sind, die aber durch unsere Texte geweckt werden.

Das gilt für jede Art von Text, vor allem, wenn wir mit unserem Text nicht nur begeistern, sondern vielleicht auch die ZuhörerInnen zum Handeln bewegen möchten.

Emotion verkauft

Wenn du Bier verkaufen willst, dann musst du die Erinnerungen an gute Zeiten, FreundInnen und Genuss wecken. Dein Bier sollte schon im Text so beschrieben werden, dass es die positiven Emotionen all dieser wunderbaren Erfahrungen auslöst.

Die Wissenschaft hat gezeigt, dass wir mit einer guten Beschreibung Gefühle und Emotionen bei unserem Publikum wecken können. Es liegt an Deiner Kreativität und deinem Einfallsreichtum genau die Worte und Formulierungen für Deinen Text zu finden, die das Publikum mitfühlen lässt und bindet.