Nach einer Theaterübernahme, hunderten Comedy-Shows in ganz Österreich – in allen Größenordnungen – und vielen persönlichen Erfahrungen mit KollegInnen und VeranstalterInnen ist es Zeit einmal eine Bilanz zu ziehen. Eine Warnung vorweg. Das ist ein langer Blog-Beitrag.

Macht Comedy in Österreich, bzw. Wien, Sinn? Hat Comedy hier eine Zukunft? Will überhaupt jemand hier, dass es eine Zukunft für Kleinkunst-Unterhaltung gibt? Interessiert das alles überhaupt irgendjemand?

Es interessiert genau niemanden!

Nein, es interessiert genau niemanden. Also würde es mich schon wundern, wenn irgendjemand bis hierher gelesen hat. Falls ja, dann Glück auf, ich schreibe einfach mal weiter. Die Anzahl der Menschen, die in Österreich (vor allem Wien) bereit sind für einen Abend guter Unterhaltung bei Kleinkunst, Kabarett oder Comedy, kostendeckende Kartenpreise zu bezahlen ist kleiner als die Anzahl potenzieller BZÖ-WählerInnen. Diese treuen Seelen sind jene bewundernswerten Menschen die bereit sind von den fünf bis sechs Kabarettisten, die seit Jahrzehnten ihr Leben begleiten, ohne Verdruss jedes neue Programm zu besuchen. Ergänzt werden sie durch ein paar Tausend mehr, die sich alle drei bis sieben Jahre in die Live-Show eines Künstlers verirren, der das Glück hat von ORF und ergänzenden Printmedien promotet zu werden. Sie gehen hin „weil man den aus den Medien kennt“ und sind dann zu Recht von der Live-Show begeistert! Und dann gibt es noch eine Erweiterung des möglichen Publikumspotentials in Österreich. Das sind jene, die zu Tausenden in die großen Hallenshows deutscher KollegInnen pilgern „weil man die aus den Medien kennt“. Das ist der Markt in dem wir uns alle bewegen. Im Internet würde man das Potential großzügig gerechnet mit ca. 100.000 Unique UserInnen bezeichnen. Davon sind 90.000 Menschen, die nur von „großen und etablierten Namen“ in eine Live-Show gelokt werden können. Der klägliche Rest ist für die „Kleinen“ da. Mehr ist nicht da.

Intrigen machen mehr Spass als gemeinsam arbeiten!

Meine Erfahrung ist, dass sich die „Kleinkunstszene“ darauf reduziert, jenen, die von dem Minikuchen ein halbwegs großes Stück ergattert haben, dieses wieder abzunehmen, oder zumindest vom größeren Stück ein kleines Stück abzutrotzen. Eigentlich unglaublich. Man streitet sich um Marktanteile in einem Markt, der in seiner Gesamtheit so winzig und eng geworden ist, dass nicht einmal ein einziger Anbieter ohne staatliche Hilfe überleben kann. Vielleicht wäre es an der Zeit einmal zu überlegen, mit welchen Angeboten man das Potential von Interessenten insgesamt erweitern könnte? Aber da bin ich wohl wieder zu naiv. Es ist viel lustiger und unterhaltsamer zu intrigieren, zu be- und verhindern und zu hintertreiben, als vielleicht gemeinsam für neues Publikum zu kämpfen.

Wir sind für die junge Generation nicht gut genug!

Es werden in absehbarer Zeit auch nicht mehr potentielle Fans werden. Im Juni und Juli dieses Jahres habe ich ein paar Vorträge/Workshops vor insgesamt ca. 500 SchülerInnen, Lehrlingen und anderen jungen Menschen (im Alter von 16-23 Jahren) in Wien und Niederösterreich gehalten. Es ging um kreatives Schreiben. Natürlich habe ich auch gehofft einige dort einige für Live-Kleinkunst begeistern zu können. Aber wie schwer das ist habe ich schnell lernen müssen. Auf Nachfrage fand ich heraus, dass von den ca. 500, genau elf je live in einem Kabarett- oder Kleinkunstprogramm waren. Acht konnten mir zumindest den Namen eines österreichischen Kabarettisten nennen, allerdings auch erst nach den üblichen Verdächtigen aus der großen deutschen Comedy-Szene. Ich behaupte nicht, dass dies eine wissenschaftliche Studie ist, aber mir ist schlagartig klar geworden, dass die Zukunft in diesem Bereich vielleicht noch härter werden könnte als es die Gegenwart ist. Und eines ist auch klar: nicht die jungen Menschen sind an diesem Status-Quo schuld, sondern ich und „die Szene“, die wir es offensichtlich nicht schaffen ein Produkt anzubieten, für das junge Menschen Teile ihrer Zeit und ihres Gelds opfern. Und nein, es geht nicht allen so. Diese jungen Leute gehen sehr wohl zu Live-Musikveranstaltungen, Events und andere Live-Geschichten. Wir müssen uns da schon an der eigenen Nase nehmen.

Ein Theater macht aus kommerzieller Sicht keinen Sinn!

Was sind die Lehren, die ich aus diesen beiden Jahren ziehe? Ein Theater in Wien (wie es scheint aber in ganz Österreich) ist kommerziell erfolgreich ohne Subventionen durch Steuergeld nicht zu führen. Klar, das haben mir viele auch schon vor dem Projekt gesagt, aber ich wollte es zumindest versuchen. Nachdem ich grundsätzlich der Meinung bin, dass Steuergeld in anderen Bereichen (Bildung, Gesundheitswesen, Armutsbekämpfung) besser eingesetzt ist als in der Finanzierung von Unterhaltung, haben wir auch nie Subventionen beantragt.

Ein Theater kann nur funktionieren wenn:

  • Es genug Subventionen an Steuergeld gibt.
  • Es wochenlang Hader, Dorfer, Niawarani, etc. (naja, so viele etc. gibt es da eigentlich gar nicht) spielen kann und Subventionen bekommt.
  • Wenn es für Personal, Technik, Infrastruktur und Werbung keine Kosten hat.
  • Eine grandiose Gastronomie hat, die das Defizit aus dem Theaterbereich ausgleicht oder im besten Fall übertrifft.

Also, kommerziell kann ein kleines Theater auf sich alleine gerechnet bei den derzeitigen Kartenpreisen selbst bei voller Auslastung nicht funktionieren. Damit ist klar, dass ein Theater aus kommerziellen Gründen keinen Sinn macht.

Kann es überhaupt Argumente für ein Theater geben?

Vielleicht gibt es aber andere Gründe die den Betrieb eines Theaters rechtfertigen? Nachwuchsförderung, Erschließung neuer Publikumsschichten, Marketing, etc.? Langsam bin ich mir auch da nicht mehr sicher. Vor allem in Wien. Nachwuchsförderung, Imagepflege und Bühnenerhaltung haben wir jetzt etwas mehr als zwei Jahre finanziert. Weder haben die KünstlerInnen wirklich daran Interesse und das Publikum schon gar nicht. KünstlerInnen gehen davon aus, dass grundsätzlich der Veranstalter, ein Flyer, ein Plakat und Karma für den Ansturm der Massen sorgen und das Publikum geht davon aus, dass es zu Hause viel bequemer, lustiger und angenehmer ist, als bei einem jungen, unbekannten Künstler in einem kleinen Theater. Und so treffen sie sich nie – der junge Künstler und die Publikumsmassen. Für mich stellt sich zunehmend die Frage, ob das Geld, das wir dank unserer Investoren und unserer Erfolge in anderen Geschäftsbereichen zur Verfügung haben nicht besser, effizienter und sinnvoller verwendet werden könnte um das Thema Comedy in Österreich zu promoten – besser als in einem kleinen Theater ohne Aussicht auf kommerziellen Erfolg, selbst bei voller Auslastung. Und diese Überlegung betrifft nicht nur die finanziellen Mitteln, sondern auch die Energie, Zeit und Opfer, die viele persönlich bringen.

Wohin? Große Events mit großen Namen!

Ich denke man könnte das wohl alles sinnvoller einsetzen. Vielleicht müssen wir uns völlig aus der traditionellen „Kleinkunstwelt“ verabschieden, um Erfolg zu haben. „Kleine, liebe und gemütliche“ Theater interessieren junge Menschen nicht. Vor allem nicht als Live-Event-Location. Und schon gar nicht, wenn sie die auftretenden KünsterlInnen weder aus den Medien, den sozialen Netzen noch aus den persönlichen Empfehlungen ihrer FreundInnen kennen. Ich komme immer mehr zum Schluss, dass nur große Events mit „großen“ Namen aus Deutschland junges und neues Publikum ziehen könnten. Im besten Fall in Shows, bei denen neben dem Star-Act auch vielversprechende junge österreichische KünstlerInnen auftreten. Man braucht ein Zugpferd, um anderen eine Chance zu geben vor neuem und großem Publikum in Österreich zu überzeugen und zu bestehen. In neuen, coolen Locations, die dem Weltbild und dem Zeitgeist junger Generationen entsprechen. Nur so wird man genug Masse und Momentum erzielen können, um vielen Menschen das Thema „Live-Shows“ wieder schmackhaft zu machen.

Kleine Shows als Support für die großen Events!

Daneben macht es Sinn, so wie wir es ja schon jetzt machen, mit einer kleineren Produktion in den Bundesländern auf Tour zu bleiben. Eine Comedy-Show mit deutschen Profis aus dem Mittelbau gemischt mit jungen österreichischen Acts ist für viele kleinere Veranstalter in Österreich ein interessantes Angebot. In Kombination mit großen Comedy-Events lernen dann auch potentielle Fans, dass großartige Unterhaltung nicht nur von großen und medial gehypten KünstlerInnen geboten wird, sondern quasi auch um die Ecke in einer professionellen, aber grundsätzlich, kleineren Show möglich ist.

Ich persönlich bin mir nicht völlig sicher, wie die optimale Strategie aussieht? Aber, und davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt, die Menschen wollen unterhalten werden. Völlig klar ist, egal in welcher Show, die Qualität muss stimmen. Aber das ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Viel schwieriger ist es heute die Verpackung und Struktur zu finden, die dem Anspruch vieler junger Menschen entspricht und sie motiviert kostbare Zeit, Aufmerksamkeit und Geld zu investieren, um in eine Show (Event) zu kommen. Und ein Grundsatz gilt natürlich auch in unserem Bereich, egal wie abgedroschen er schon ist: Think global, act local!