Leerer Saal. Keiner da?

Es wäre doch so schön, wenn man einfach nur auftauchen bräuchte, die Sitzreihen sind bis zum letzten Platz gefüllt und alle warten in freudiger Erregung – ein leerer Saal, kein Thema. Ja, das wäre nett. Aber es ist nicht so. Warum sollte irgendwer in Offenbach ausgerechnet auf mich, den Hr. Formanek aus Wien, warten? Woher sollten mich Menschen kennen? Warum sollte sie meine Show interessieren? Warum soll ein gestresstes Paar, dass Jobs, Kinder, Freizeit und tägliche Verrücktheiten organisieren, koordinieren und verarbeiten muss, sich Zeit, Energie und Geld nehmen, um ausgerechnet in meine Show zu kommen? Die Wahrscheinlichkeit geht gegen Null. Nüchtern betrachtet ist es eine Herkules-Aufgabe Theater- und Veranstaltungssäle mit hunderten von ZuschauerInnen zu füllen. Und die wenigstens von uns können das, oder haben überhaupt eine realistische Vorstellung wie schwer es ist.

Alle sind schuld, nur der Künstler nicht

Wenn ein Saal leer ist, dann gibt es immer hundert Gründe warum. Die Hitparade der Jammerargumente: die Medien ignorieren mich, die Massen wollen nur primitives Zeug, meine Agentur macht ihre Arbeit nicht, mein Management ist hilflos, der Veranstalter hat sich nicht um Publikum gekümmert, die Leute sind faul, das Wetter ist schlecht, das Wetter ist gut, falsche Jahreszeit, Intrigen mysteriöser Gegner, Verschwörung der Kritiker, der Anfahrtsweg ist zu weit, es gibt keine Parkplätze, bla, bla, bla… Alles schon gehört. Nie, oder fast nie, höre ich: Ich habe nicht genug gemacht um Menschen hierher zu bringen. Ich bin nicht gut genug. Ich habe nicht hart genug gearbeitet. Ich habe meine Möglichkeiten nicht ausgeschöpft.

Und doch sind wir als KünstlerInnen immer selbst schuld. Man muss nur ehrlich sein. Man muss sich selbst beobachten. Zu wie vielen Events, Veranstaltungen und Shows geht man den selbst? Zu welchen geht der engste Verwandtschafts- und Freundeskreis? Was muss passieren, dass man selbst geht? Wenn man sich diese Fragen ehrlich beantwortet merkt man schnell wie schwer es ist Menschen zu einer Show hinzubekommen. Man muss sich nur selbst und den engsten Kreis um sich herum objektiv beurteilen. Nehmen wir nur das Beispiel einer Webseite. Jeder von uns hat im Schnitt vielleicht vier bis fünf Webseiten, die sie oder er wirklich jeden Tag besucht. Deren Content für uns so wichtig ist, dass wir wirklich jeden Tag aktiv hinsurfen. Es gibt aber Milliarden von Webseiten. Wie wahrscheinlich ist es, dass ausgerechnet unsere eigene Webseite mit unseren Inhalten, Terminen und Infos es auf diese kurze Liste der täglich besuchten Seiten bei anderen Menschen schafft? Sie ist minimal. Selbst bei unseren besten FreundInnen. Ganz zu schweigen von Menschen die uns nicht kennen.

Wir müssen ganz, ganz hart arbeiten

Angesichts dieser Realitäten kann man leicht abschätzen wie viel man tun muss, um Menschen soweit zu beeindrucken, dass sie Zeit und Energie für unsere Angebot opfern. Kein Management, keine Agentur und kein Veranstalter kann das für uns schaffen. Wenn du wirklich in dieser Branche erfolgreich sein willst, dann musst du jede Minute hart daran arbeiten. An deinem Programm, an deinen Gags und Material (ja, jeden Tag), an deinen Web-Aktivitäten, in den sozialen Netzen, auf offenen Bühnen, in Wettbewerben, in kleinen Shows und mit allen finanziellen Mitteln die du zur Verfügung hast. Wenn du nicht bereit bist alles zu riskieren, verletzt zu werden, zu verlieren, wieder aufzustehen und „All-In“ zu gehen, dann wirst du es nicht schaffen. Denn für jeden der das nicht tut, gibt es Zehntausende die bereit sind alles zu tun. Und die sind froh über jeden, der einen Auftritt, eine Charity, eine YouTube-Video, einen Blogbeitrag und einen Netzwerk-Termin nicht macht.

Erfolg in der Comedy-Branche bedeutet:

  • Ein paar mal im Monat vor vollen Sälen ein bis zwei Stunden zu spielen.

  • Jeden Tag vielleicht ein bis zwei Stunden schreiben (bei den Fleißigen). Eine Stunde am Tag für PR- und Marketing im Web.

  • Ruhm, Applaus, Gelächter, gute Gagen und vielleicht TV- bzw. Radio. Wobei dazu kommt, dass jede Arbeitsstunde auf der Bühne vor Publikum auch ein Vergnügen ist.

Na wer würde so einen Job nicht gerne machen? Für die meisten Menschen klingt das viel verführerischer als jeden Tag 10 Stunden am Bau, im Supermarkt, Büro, etc. Und weil das auch ein privilegiertes und angenehmes Leben ist, träumen Hunderttausende von diesem Leben. Und Zehntausende arbeiten dann mehr oder weniger hart daran sich den Erfolg zu erarbeiten. Konsequenterweise schaffen es dann auch nur ganz wenige wirklich vom Bühnenleben komfortabel jahrzehntelang zu leben. Aber die, die es dann tatsächlich dorthin schaffen, sind bereit scheinbar unüberwindbare Hürden auf den Weg dahin zu überkommen. Sie überkommen sie mit teils unmenschlichen, masochistischen und brutalen Arbeitsgewohnheiten, einer Bereitschaft immer und überall zu lernen und einfach alles zu versuchen.

Bevor du also das nächste mal einen Veranstalter, eine Agentur oder andere für einen leeren Saal verantwortlich machst, frag dich ehrlich ob du selbst alles Menschenmögliche und -unmögliche getan hast, um den Saal zu füllen? Es ist dein Abend, deine Show, deine Karriere. Du bist selbst dafür verantwortlich.