Die RedeWie soll ich meine Rede beginnen? Wie kann ich die Aufmerksamkeit und das Interesse der ZuhörerInnen schnell gewinnen? Eine der ältesten und bewährtesten rhetorischen Mittel um das zu erreichen ist die simple Frage. Zu Recht wird in fast allen Texten zum Thema Rhetorik, auch in fast allen Seminaren und Workshops zu diesem Thema, der Nutzen einer Frage am Anfang eines Vortrags hervorgehoben. Selbst in diesem Blog-Beitrag habe ich damit begonnen. Und dennoch, die Idee klingt einfach, aber bei der Ausführung sollte man einiges beachten.

Völlig klar, eine Frage zu Beginn einer Rede bringt Aufmerksamkeit im Publikum, regt die ZuhörerInnen an mitzudenken und bindet sie auch emotional. Genau das sollte man dann aber auch nutzen. Wenn man schon eine Frage stellt, sollte man sie auch ernsthaft stellen und den Menschen die zuhören auch eine Chance auf einen Moment des Nachdenkens und zur Antwort geben. Also nicht fragen und dann ohne Pause und Modulation den eigenen Vortrag fortsetzen. Wenn man nicht auf etwaige Reaktionen wartet, dann signalisiert man klar, dass man weder die Frage ernst gemeint hat noch das Publikum ernst nimmt.

Beginn der Rede – rhetorische Frage oder nicht?

Bei allen Fragen, die man in einem Vortrag bzw. einer Rede stellt, muss man sich dafür entscheiden, ob die Frage rhetorisch oder ernst gemeint ist? Ob man gar nicht davon ausgeht, dass es eine Antwort geben könnte oder tatsächlich eine Antwort erwartet? Auf die Frage: »Wer von Ihnen hat nicht schon einmal mit einem Alien kopuliert, das sieben primäre Geschlechtsorgane hat?«, wird man in einem durchschnittlichen Publikum kaum jemanden finden der die Hand hebt. Kurzer Einschub: Wenn man eine Frage stellt bei der man hofft, dass sich Menschen aus dem Auditorium melden, dann hilft es oft schon beim Stellen der Frage eine Hand quasi „mit zu heben“ um zu signalisieren, dass es ok ist sich zu melden.

Zurück zur Kopulation mit Alien. Obwohl die Frage wohl rhetorisch ist, sollte man als Redner trotzdem klassisch reagieren. Pause machen, ins Publikum blicken und scheinbar ernsthaft darauf warten, dass sich tatsächlich jemand meldet. Das ist zuerst einmal in sich schon unterhaltsam, aber wird vollends zur Comedy-Nummer, wenn sich tatsächlich jemand melden sollte. Es gibt Menschen die sich bei jeder noch so rhetorisch gemeinten Frage melden. Nimm das Geschenk an. Jede Interaktion mit solchen Menschen sorgt für ein gutes Maß an Entertainment. Unterhaltsame Elemente haben noch keiner Rede geschadet. Jetzt zu Fragen, die nicht rhetorisch gemeint sind. Z.B.: „Wer von Ihnen war schon einmal ein Opfer einer Straftat?“ Da gibt es eine gute Chance, dass jemand aus dem Publikum die Hand hebt. Ganz wichtig ist es auch ein oder zwei Personen die aufgezeigt haben wirklich wahrzunehmen und sie in einen kleinen Dialog einzubinden. Die Tatsache, dass sich Menschen auf die Frage eines Vortragenden melden, aus ihren persönlichen Erfahrungen zum Thema erzählen und reagieren, zeigt allen anderen im Publikum wie wichtig und real das Thema ist. Ein perfekter Weg, um den restlichen Zuhörerinnen klar zu vermitteln warum die Rede zu diesem Thema gerade jetzt wichtig und richtig ist.

Vorsicht bei der Formulierung

Vorsicht auch bei der Formulierung der Frage. Direkt ist gut. Also z.B. Wer von ihnen liebt Schnitzel? Wer hier ist Veganer? Formulierungen die implizieren, dass der Redner die Antwort kennt sind gefährlich. Z.B.: Wer kann schon einem Schnitzel widerstehen? Na ja, an diesem Moment könnten dann wohl die Veganer im Raum aufzeigen und bei korrekter Umsetzung sollte man diese dann wahrnehmen und vielleicht auch ihre Meinung sagen lassen. Und plötzlich wird die Rede zu den Vorzügen und der weltweiten Liebe zum Wiener Schnitzel zu einer Diskussion: Veganer oder nicht? Und die, die sich gemeldet haben einfach zu übergehen und zu ignorieren wirkt dann auch nicht gerade souverän.

Die einfache Frage ist eine hervorragende Möglichkeit bei einer Rede oder einem Vortrag das Publikum von Anfang an einzubinden, es für das Thema zu interessieren und emotional zu binden. So einfach das klingt, muss man aber trotzdem sorgfältig abwiegen, ob man eine rhetorische oder reelle Frage wählt, darauf achten dass man den ZuhörerInnen eine Chance gibt zu reagieren und ernstgenommen zu werden und die Frage klar und gut formulieren. Wenn man alle das bedenkt und gut umsetzt, dann stimmt das Konzept: Am Anfang vieler guter Reden steht eine Frage.