Meine Tochter - Synchronschwimmerin

Schuld daran ist wohl meine Frau und mein Sohn. Als der Bub knapp drei Jaher alt war, wollte meine Frau, dass er in einen Kleinkinder-Schwimmkurs geht. Im Gegensatz zu seiner um zwei Jahre älteren Schwester, die sich mit 3 1/2 selbst das Schwimmen quasi im Alleingang beigebracht hatte, wollte er mit Wasser nichts zu tun haben. Egal ob im Meer, im See, in der Badewanne oder in der Dusche. Aber so leicht steckt meine Frau nicht zurück und so marschierte sie mit ihm in ein Wiener Schwimmbad – im Schlepptau meine Tochter.

Zusammengefasst: Mein Sohn verweigerte unter martialischem Gebrüll den Schwimmkurs, die Schwimmlehrerin und jedwede weitere Wasserfolter, während meine Tochter zufällig mitbekam, wie dort kleine Mädchen zu Musik im Wasser „tanzten“. Ohne zu zögern sagte sie: »Das will ich machen.« Und so kam sie zum Synchronschwimmen. Ein Sport der Väter- und Männerherzen vor Aufregung und Begeisterung höher schlägen lässt. Bei dem sofort klar ist, dass einer Zukunft mit Millionen von Fans, TV-ZuseherInnen und Sonsorgeldern nichts mehr im Weg steht. Noch Wochen nach dem Entschluss meiner Tochter wurde ich immer wieder von einem wiederkehrenden Albtraum aus dem Schlaf gerissen. Darin stand mein Sohn völlig aufgelöst vor mir und brüllte unentwegt: »Ich will aber Schnellgeher werden!!!!«

Synchronschwimmen gibt es auch als Einzelbewerb

Nun gut, jetzt hatte ich also eine Tochter, die mit all ihrer Energie, ihrem Talent und ihrem Ehrgeiz sich auf den Weg machte zu einer der besten Synchronschwimmerinnen der Welt zu werden. Also musst ich mich, als guter und interessierter Vater, auch beginnen ernsthaft mit dem Sport auseinander zu setzen. Erste Überraschung: Synchronschwimmen bedeutet nicht, dass wenn eine Schwimmerin absäuft, die Partnerin, bzw. das restliche Team, auch ertrinken muss. Im Gegenteil. Es gibt Synchronschwimmen sogar als Einzelbewerb – immerhin bis zur Weltmeisterschaft. Denn, Überraschung, das „synchron“ bezieht sich ursprünglich eigentlich auf „synchron zur Musik“. So wie beim Eistanzen. Und schon was gelernt.

Aber auch vor Ort, beim ersten Wettkampf gab es für mich viel zu entdecken. Als ich ins Schwimmbad kam, standen dutzende Wasserkocher am Beckenrand aufgereiht. Ich dachte mir: »Ist ihnen das Wasser zu kalt? Füllen sie heißes Wasser nacht?« Natürlich nicht. Viel mehr wird in dem heißen Wasser Gelatine erhitzt, die sich die Mädchen dann in die Haare schmieren, aushärten lassen und so die gestylte Frisur wie Beton während des Wettkampfs im Wasser sitzt. Vergesst Haarspray, so sitzt die Frisur wirklich immer. Als ich das gesehen habe frohlockte ich mit dem Wissen, dass meine Tochter nie einen Fahrrad- oder Ski-Helm nötig haben wird. Bevor wir auf die Piste gehen, legen wir den Gelatine-Helm an. Was mich allerdings doch beschäftigte war die Frage, ob, nachdem die Synchronschwimmerinnen mit ihren Gelatine-Haaren im Becken waren, das Bad für Veganer noch nutzbar ist?

Fankultur kann so verschieden sein

Ja, und dass Fankultur nicht gleich Fankultur ist, habe ich bei diesem ersten Wettkampf meiner Tochter auch auf die harte Tour lernen müssen. Woher sollte ich es denn wissen? Ich war bisher immer nur beim Fußball, Eishockey, Boxen oder Catchen gewesen. Das war mein erster Synchronschwimm-Wettkampf. Ich nahm auf der Tribüne zwischen lauter stolzen Jung-Müttern Platz. Und dann war es soweit. Der Name meiner Tochter wurde aufgerufen.

Meine Tochter schreitete grazil zum Beckenrand. Stellte sich in die Startpose. Gespannte Stille in der Halle. Die wunderbare klassische Musik zu ihrer Kür begann zu laufen. Meine Tochter schwebte anmutig mit einem Sprung ins Wasser. Ich sprang auf der Tribüne auf und brüllte so laut ich konnte: »Los Charlotte, versenk die fette Seekuh aus Düsseldorf!!!!« Es wurde ganz still in der Halle. Eine Kampfrichterin lies die Musik abdrehen. Meine Tochter schwamm an mir vorbei und machte mit der rechten Hand eine Wischbewegung vor ihrem Gesicht, die meiner Meinung nach nicht Teil ihrer Kür war.

Tja, der Skandal war groß. Ich musste mich entschuldigen, wurde zum ersten Elternteil, das bei einer Synchronschwimmveranstaltung aus der Halle verwiesen wurde und weder meine Tochter noch meine Frau sprachen tagelang ein Wort mit mir. Aber, und das zeichnet große Männer aus, ich hatte daraus gelernt. Beim nächste Wettkampf meiner Tochter habe ich dann auf die bengalischen Feuer und die Rauchbomben verzichtet.